Elsfleth - Einen Arbeitsplatz in luftiger Höhe sind die Mitarbeiter der Elsflether Dachdeckerei Gärtig zwar gewohnt, der Neubau eines Storchennests auf dem First eines historischen Bauernhauses gehört allerdings nicht zu den üblichen Arbeiten. Und dennoch haben es die beiden Mitarbeiter des Unternehmens geschafft, den vielleicht bald anfliegenden „Mietern“ auf dem Hof Büsing in Fünfhausen eine nagelneue Heimstatt zu errichten.
Im Februar 2021 war das bisherige Nest gerade noch rechtzeitig vor dem Eintreffen der Obermieter „renoviert“ worden. „Zwei volle Schubkarren mit Mist wurden entsorgt, um danach das Nest mit frischem Schreddergut neu auszupolstern“, erinnert sich Gerold Büsing. Zehn Tage später bezog das Storchenpaar die kuschelige Stube, mehrfach feierte es temperamentvoll Hochzeit.
Ein ungelöstes Rätsel
Storchenpaare und deren Nachwuchs haben in Fünfhausen eine lange Tradition. „Seit wann sie bei uns nisten, kann man gar nicht mehr genau sagen“, berichtet Büsing, „fest steht aber, dass Paare auf dem Dach des Nachbarhauses bereits vor Jahrzehnten ein Nest bezogen hatten.“ Als dieses Domizil bei einem Sturm verwüstet wurde, baute sich das Storchenpaar ein riesiges Nest zwischen den Ästen einer großen Linde. Aufgrund der ätzenden Hinterlassenschaft der Vögel war der Baum aber bald mausetot und musste gefällt werden.
Anfang der 80er-Jahre baute Familie Büsing einen Nistplatz auf dem Stallgebäude, der auch sofort bezogen wurde. Immer wieder war das Brutgeschäft der Störche seither mit nur geringen Verlusten erfolgreich. Ausgerechnet in dem Jahr, als die Corona-Pandemie auch in Deutschland Fahrt aufnahm (2020), erlebte der Hof Büsing zum ersten Mal keine Brut – bis heute ein ungelöstes Rätsel.
Bärbel Büsing, die die Bruterfolge immer sorgfältig dokumentiert, hatte in den vergangenen Jahren eine frühere Ankunft und einen früheren Brutbeginn festgestellt. Wissenschaftler erklären das mit dem Klimawandel.
Früher war alles anders
Da das aktuelle Nest in Fünfhausen im Laufe der Zeit eine immense Nest-Aufbauhöhe aufwies, unternahm die Elsflether Ortsgruppe des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) wegen des Sicherheitsrisikos die Initiative zur Erneuerung mit einer stabilen Nestkonstruktion – Bürokratie inklusive. „Heute kann man nicht einfach ein Nest mit einem Durchmesser von 1,20 Metern auf einem Dach aufbauen“, berichtete Nabu-Sprecher Hans-Jürgen Junge. Auf jeden Fall müssten Einwilligungsverfahren der Unteren Naturschutzbehörde, des Eigentümers und der Stadtverwaltung eingehalten werden.
Als das Angebotsverfahren der Handwerksfirmen für die Nesterneuerung durchgeführt war, wurde dem Antrag auf Fördergelder nach dem Reglement von der Storchenpatenschaft Berlin stattgegeben. Nun wartet Familie Büsing gespannt auf das erste Klappern und hofft auf einen reichen „Kindersegen“ im Jahr 2023.