Emden - Wer vielleicht aus alter Verbundenheit auf dem Gelände der ehemaligen Karl-von-Müller-Kaserne den früheren Speisesaal mit seinen wuchtigen Betonträgern und den riesigen Wappen-Schildern an der Decke suchen möchte, der kann im sogenannten „Türmchenhaus“ lange suchen und wird doch nichts finden. In dem riesigen Gebäude aus den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist nichts mehr so, wie es einmal war, schon gar nicht Militärisches. Wobei: Hier und da ist sehr wohl noch etwas, wie es früher war, weil der Denkmalschutz seine strenge Behördenhand über das Gebäude hält, in dem bis in die 90er Jahre noch die Bundeswehr, zuletzt hauptsächlich Vandalen hausten.
Nicht ganz preiswert
Das vielen Emdern noch gut bekannte und jetzt grundsanierte „Türmchenhaus“, eines der Hauptgebäude der damaligen Kaserne, ist jetzt fertig grundsaniert und zu einem Wohnhaus geworden. Die ersten neuen Bewohner sind bereits eingezogen, der zweite Bauabschnitt wird im Februar bezogen. Dann sind 45 neue Wohnungen entstanden, die zwar nicht ganz preiswert sind (zwischen 220 000 und 460 000 Euro), aber doch einen besonderen Charme entwickeln sollen – unter Umständen auch als Steuermodell. „Bauen im Bestand“, wie Bauleiter Andreas Klein von der verantwortlichen Emder Prokjektentwicklungsgesellschaft Beyer + Freitag + Zeh es nennt. Von der schlichten Militär-Zweckarchitektur hin zu modernen Lofts, Maisonett-Wohnungen und Appartements. Alle zwischen 50 und 110 Quadratmeter groß, alle entweder mit Balkon, Terrasse oder Loggia. Fast alle individuell geschnitten.
Die Zeiten sind so
Zwei Jahre hat der Komplettumbau gedauert und ist trotz Corona, Finanzkrise und Materialengpässen ziemlich genau auf den Punkt fertig geworden. Mit der zweimonatigen Verzögerung mussten die Planer und Baufirmen, nicht aber die Käufer umgehen, wie Marco Haltenhof, Geschäftsführer von Beyer + Freitag + Zeh bei einem Rundgang mit dieser Zeitung betonte. Und aus den zunächst geschätzten Gesamtbaukosten von rund 7 Millionen Euro sind nun um die 7,5 Millionen geworden. Aber so sind die Zeiten jetzt wohl.
Der Umbau eines alten Gebäudes, das ja ursprünglich für weniger anspruchsvolle Bewohner in Uniform und in ganz anderer Zeit gebaut worden ist, birgt natürlich gewisse Herausforderungen. Davon kann Bauleiter Klein ein längeres Lied singen. Dabei geht es nicht nur um die energetischen Belange, von denen während des Zweiten Weltkrieges, aber auch Jahrzehnte danach noch nicht einmal etwas im Duden zu lesen war. Es ging auch darum, Elemente zu bewahren und für die Nachwelt zu erhalten. Warum auch immer.
Karges Treppenhaus
So wurden beispielsweise die gesamten Fenster und einige Treppenhaustüren nicht einfach ersetzt, sondern aufwendig aufgearbeitet. Da wurden Holzbalken und Träger aufgemöbelt oder vorsichtig artgerecht eneuert. Da wurde aber auch das eher karge Treppenhaus so erhalten, wie es die Geschichte vorgegeben hat. Und natürlich das Türmchen, was dem Volksmund so nahe am Herzen liegt: Der Dachaufsatz wurde mit viel Arbeit und nicht weniger Geld grundsaniert, obwohl es weder als Aussichtsturm für die künftigen Hausbewohner, noch für sonst etwas gut sein wird. Aber der Denkmalschutz will es nun mal so. Die Architekten aber auch, weil es ihnen offenbar Spaß gemacht hat, sich mit solchen besonderen Herausforderungen zu befassen.
Nicht spruchreif
Und jetzt ist es fertig, das „Türmchenhaus“ und fügt sich zwischen anderen Neubauten und weiteren Ruinen. Denn die Kaserne war groß und mindestens drei weitere Gebäude warten darauf, ähnlich gefühlvoll saniert zu werden. Es soll Gespräche, es soll sogar Pläne geben, spruchreif ist aber wohl noch nichts.