New York - Seinerzeit war es fast eine Sensation: Auf Motorrädern fuhren zwei Schwestern 1916 kreuz und quer durch die USA – insgesamt mehr als 8000 Kilometer. Augusta und Adeline Van Buren wollten den amerikanischen Streitkräften damit zeigen, dass auch Frauen als Motorrad-Kuriere eingesetzt werden könnten. In Gedenken an die mutige Tour organisierte Alisa Clickenger genau hundert Jahre später eine Gruppenfahrt speziell für Frauen. Die Idee kam so gut an, dass sie ein Unternehmen daraus machte.

„Für mich war es die Verwirklichung eines lang gehegten Traums“, sagt

Clickenger. „Während der Fahrt über die Golden Gate Bridge im Rückspiegel fast 250 Frauen auf Motorrädern zu sehen, war einfach sagenhaft. Das werde ich nie vergessen.“ Für die Kalifornierin ging es dabei nicht nur um Reiselust und Abenteuer. Für sie war es zugleich eine Methode, anderen Frauen Mut zu machen - ihnen dabei zu helfen, Grenzen und die eigene Scheu zu überwinden.

„Beim Motorradfahren geht es für mich nach wie vor auch um die Herausforderung, sich auf das Unbekannte einzulassen, sich seinen Ängsten zu stellen - und natürlich darum, eine Maschine zu beherrschen“, sagt sie. Ihre Firma „Women“s Motorcycle Tours“ ist somit auch kein gewöhnlicher Reiseanbieter. Wie einst die Van-Buren-Schwestern legt es Clickenger ganz bewusst auch auf ein Statement an.

Etwa 14 Prozent der in den USA registrierten Motorräder gehören Frauen. Noch im Jahr 1998 waren es lediglich 8 Prozent, wie aus Zahlen des Branchenverbandes Motorcycle Industry Council hervorgeht. Da es sich hierbei nur um neue Registrierungen handle, könne der tatsächliche Anteil weiblicher Fahrerinnen noch deutlich höher liegen, möglicherweise bei bis zu 25 Prozent, sagt Genevieve Schmitt, Gründerin und Redakteurin des Online-Magazins „Women Riders Now“.

„Nach meinem Gefühl ist der Anstieg in den elf oder zwölf Jahren, in denen ich die Webseite nun schon betreibe, geradezu exponentiell verlaufen“, sagt Schmitt. „Es gibt einen ganz neuen Markt für junge Mädchen in den 20ern, die mit dem Fahren angefangen haben. So etwas hat es in der gesamten Geschichte noch nicht gegeben.“ Als mögliche Ursache nennt die Fachredakteurin den „Nachahm-Effekt“. „Eine Frau sieht, dass eine andere Frau auf einem Motorrad fährt und denkt sich: „Wenn die das kann, kann ich das auch!““ Einige Hersteller bieten Einsteiger-Modelle an, die nicht ganz so schwer sind.

Aber auch dann könne es „einschüchternd sein, eine so gewaltige Maschine zu besteigen“, sagt Pam Kermisch, eine Fahranfängerin, die für das Unternehmen Polaris arbeitet, das die Motorradmarken Indian und Victory verkauft. „Den ganzen Theorie-Kram habe ich gemacht. Das ist die eine Sache. Sich dann aber wirklich auf so ein Ding zu setzen und loszufahren, ist noch einmal etwas ganz anderes.“ Für viele sei dies der unheimliche Teil. Um sich sicherer zu fühlen, müsse man möglichst oft fahren.

Und genau hier kommt Clickenger ins Spiel: Im März hat sie eine Frauen-Tour auf Kuba organisiert. Noch für Ende Juli steht eine „Entdecker-Route“ durch das Hinterland des US-Staates Colorado auf dem Programm. Im Oktober peilt sie, von Las Vegas ausgehend, den Südwesten des Landes an. Im nächsten Jahr will sie eine Gruppe von Frauen durch Südafrika führen. Außerdem veranstaltet sie regelmäßig Wochenendtrips in Kalifornien und Spezialkurse für Anfängerinnen. „Was mich antreibt, ist die Freude daran, Frauen zusammenzubringen, um gemeinsam etwas zu entdecken und gleichzeitig diese Maschinen in den Griff zu kriegen“, sagt die Unternehmerin.

Es sei spannend zu sehen, wie sich viele Frauen durch solche Touren ermutigt fühlten, konstruierte Grenzen zu durchbrechen und auch für das sonstige Leben neue Möglichkeiten zu sehen. Im Mittelpunkt stehe dabei das Gefühl der Freiheit - von eigenen Ängsten wie von gesellschaftlichen Zwängen.

Sie selbst habe schon mindestens 400.000 Kilometer auf dem Motorrad zurückgelegt, unter anderem auf einem siebenmonatigen Solo-Trip von New York bis nach Argentinien. Diane Huston, die beruflich 20 Jahre bei der US-Luftwaffe war, ist seit 1995 mit dem Motorrad unterwegs. Der Anfang war für sie schwer. Doch sie ließ sich von nichts abschrecken - auch nicht davon, dass ihre erste Fahrt mit ihrer damals neuen Harley-Davidson in einem Swimmingpool endete.

Dem „Lockruf der Straße“ konnte sie nie widerstehen. „Für mich ist Motorradfahren das perfekte Mittel, um den Kopf frei zu kriegen, vor allem wegen des Freiheitsgefühls in der offenen Landschaft“, sagt Huston, die Clickenger im vergangenen Jahr auf der großen Gedenktour und in diesem Jahr auf Kuba begleitet hat. Nächstes Jahr will sie auch in Südafrika dabei sein. „Ich hoffe, dass wir auch den Frauen, denen wir unterwegs begegnet sind, zu dem Gefühl verholfen haben, dass wir alles tun können, was wir uns nur wünschen.“ Man müsse es nur in den Angriff nehmen, allen Widrigkeiten zum Trotz, sagt sie.