Köln - Joachim Löw hat keinen Nerv mehr für wachsweiche Kompromisse. Er hat zu Beginn der Zielgeraden Richtung Russland seinen WM-Helden Mario Götze öffentlich abgewatscht, er hat die Bundesliga scharf kritisiert – und bei der WM-Nominierung wird der Bundestrainer unabhängig von Namen und Meriten gnadenlos entscheiden. „Erfolg und Leistung stehen über allem“, sagte Löw vor dem doppelten Härtetest der deutschen Fußball-Weltmeister gegen Spanien und Brasilien.

Ab Dienstag werden in Düsseldorf die Zügel angezogen. „Wir wollen sehen und spüren, dass die Spieler unseren Zielen alles unterordnen und dafür alles geben“, sagte Löw. Die letzte Chance vor der Nominierung am 15. Mai: Die Länderspiele gegen Spanien an diesem Freitag (20.45 Uhr/ARD) und gegen den Rekordweltmeister Brasilien in Berlin am 27. März (20.45 Uhr/ZDF). Mit einem vergleichsweise großen Kader kann Löw ein letztes Mal experimentieren.

Dann geht’s ans Zusammenstreichen. 26 Spieler sind nun dabei, dazu kommen abhängig von ihrer Fitness oder Form Götze, Marco Reus und Manuel Neuer. Nur 20 Feldspieler und drei Torhüter dürfen mit nach Russland. Umkehrschluss: Löw muss den WM-Traum von mindestens sechs Spielern platzen lassen.

Wer könnte das sein? Mario Gomez und Sandro Wagner konkurrieren im Sturm um den vakanten Platz neben Timo Werner. Sollte Neuer fit werden, ist nur für Bernd Leno ODER Kevin Trapp Platz. In der Innenverteidigung wird es wohl Matthias Ginter oder Niklas Süle treffen, Weltmeister Shkodran Mustafi ist erst gar nicht mehr dabei. Das gilt auch für Julian Weigl und André Schürrle. Es wird eng. Ganz besonders im Mittelfeld.

„Insgesamt ist die Tür zur Nationalmannschaft noch nicht geschlossen, es gibt noch einige Spieler, die eine Chance haben, wenn sie uns in den nächsten Wochen überzeugen“, sagt Löw. Doch das „wenn“ darf man sich betont vorstellen.

Denn zwei von drei Plätzen im Tor (Neuer, Marc-Andre ter Stegen) und 14 von 20 im Feld scheinen vergeben. Die Kategorie „unangreifbar“ umfasst alleine: Jerome Boateng und Mats Hummels in der Innenverteidigung, Jonas Hector als einzigen Linksverteidiger gehobener Klasse, Joshua Kimmich, Julian Draxler, Sami Khedira, Toni Kroos und Thomas Müller, außerdem Mesut Özil, Leroy Sane und Werner.

„Auf einigen Positionen haben wir eine extrem große Auswahl, auf anderen allerdings nicht. Wir brauchen daher auch Spieler, die flexibel und variabel einsetzbar sind“, betont Löw. Das spricht für Sebastian Rudy, möglicherweise auch Emre Can oder Lars Stindl.

Für den WM-TÜV hat Löw größte Kaliber vorgesehen. „Spanien und Brasilien sind genau die richtigen Gradmesser“, sagt Löw, dem Erkenntnisse (noch) über Ergebnisse gehen: „Sowohl Spanien als auch Brasilien können im Sommer den Titel holen.“

Die historische WM-Mission startet mit dem Abflug nach Moskau am 12. Juni. Wer an Bord sitzt, hat Löws knallharte Auslese überstanden.