Oldenburg - Aus Sicht der Verteidigung sind die Vorwürfe gegen Högels damalige Vorgesetzte „absurd“. Einem Arzt, der von Berufs wegen Menschenleben rette, vorsätzliche Tötung vorzuwerfen, sei in einem solchen Fall hanebüchen, sagt der Strafrechtsexperte Steffen Stern, der den früheren Oldenburger Chefarzt der Anästhesie verteidigt. Die Beschuldigten hätten damals nichts in der Hand gehabt, das eine Anzeige gerechtfertigt hätte, sagt der Düsseldorfer Anwalt Sven Thomas, der unter anderem den angeklagten früheren Chefarzt der Kardiologie vertritt. Die Situation damals dürfe nicht mit dem Wissensstand von heute beurteilt werden.

Die Verteidiger haben eine mögliche Erklärung für die aus ihrer Sicht „skandalöse Totschlagsanklage“: Die Anklagebehörde wisse zwar um das Problem, den Vorwurf Totschlag durch Unterlassen zu beweisen. „In dem Komplex bliebe aber ansonsten höchstens der Vorwurf der Fahrlässigkeit – und der kann nicht angeklagt werden, weil er verjährt ist“, sagt Anwalt Stern. Da die Staatsanwaltschaft Oldenburg wegen schleppender Ermittlungen im Fall Högel aber bereits selbst in der Schusslinie gestanden habe, wolle sie durch die Anklage „Totschlag“ jedem Verdacht der Untätigkeit vorbeugen.

Christoph Kiefer
Christoph Kiefer Reportage-Redaktion (Chefreporter)