Wiesbaden - Der älteste Tatverdächtige ist 80 Jahre alt, der jüngste gerade volljährig. Insgesamt 67 Beschuldigte sollen sich Kinderpornografie mit Bildern und Videos von schwerem sexuellen Missbrauch über einen legalen Onlinedienst zugeschickt haben. Unter den Opfern sind auch Kleinkinder im Alter von ein bis drei Jahren. „Das Material wird zunehmend aggressiver und härter“, erklärte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, Georg Ungefuk, am Donnerstag in Wiesbaden. „Dass Kleinstkinder unter den Opfern sind, ist inzwischen keine Besonderheit mehr.“

Die Tatverdächtigen waren nach einer vom Bundeskriminalamt (BKA) koordinierten bundesweiten Razzia ermittelt worden. Auf den beschlagnahmten Computern und Datenträgern hatte sich auch Videos von sexueller Gewalt gegen die Kinder befunden.

Die Beschuldigten schickten sich demnach über den Onlinedienst „Chatstep“ die Aufnahmen gegenseitig zu. Dort sollen sie sich in Chatgruppen mit bis zu 50 Teilnehmern zusammengeschlossen haben. Bei dem Dienst war zwar eine Anmeldung im Internet mit persönlichem Namen erforderlich. Eine Sicherheitsüberprüfung gab es aber nicht, berichtete Sabine Vogt, die beim Bundeskriminalamt mit rund 40 Spezialisten für die Kinderpornografie-Ermittlungen zuständig ist. Der Onlinedienst gilt zwar als nicht besonders groß. Der Vorteil war aber offenbar, dass über die Chats relativ große Dateien verschickt werden konnten.

Die Kinderporno-Szene spielt sich nach Einschätzung der Ermittler mittlerweile überwiegend im Darknet, dem verborgenen Teil des Internets, ab. Es zeige sich aber vermehrt, dass sich die Pädophilen auch im frei zugänglichen Netz bewegen und dort wie beim Onlinedienst „Chatstep“ in der Masse untertauchen wollen, erklärte Alexander Badle von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Einen Haupttäter sehen die Fahnder nach der bundesweiten Razzia daher nicht. Es wird vielmehr von einem losen Szene-Netzwerk ausgegangen.

Auf die Spur der Tatverdächtigen kamen die deutschen Ermittler nach Hinweisen von den US-Behörden und dem US-amerikanischen Betreiber der legalen Plattform. Hintergrund ist ein US-Gesetz, nachdem es die Verpflichtung gibt, festgestellte Fälle des Austauschs von Kinderpornografie für die Strafverfolgung zu melden. Insgesamt rund 7000 Hinweise gab es. Neben Deutschland läuft auch in anderen Ländern die Suche nach den Tätern.

Haftbefehle wurden bislang nicht ausgestellt. Das könne sich aber ändern, wenn das sichergestellte Material ausgewertet worden ist, sagte Oberstaatsanwalt Ungefuk. Bislang gebe es keine Hinweise, dass die Tatverdächtigen realen sexuellen Missbrauch begangen haben könnten. „Hinter jedem Bild steht aber ein real geführter Missbrauch“, betonte Vogt als Leiterin der Abteilung Schwere und Organisierte Kriminalität beim BKA. In vielen Fällen kämen die Täter aus dem familiären Umfeld. Grundsätzlich gebe es bei den Betroffenen aber keinerlei Einschränkung, was Alter oder Herkunft betrifft. „Es geht quer durch die Gesellschaft.“

Einen Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die internationale Kinderpornografie-Plattform im Darknet, „Elysium“, gibt es bislang nicht. Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft schloss aber nicht aus, dass sich bei der Auswertung des sichergestellten Materials Überschneidungen zeigen könnten. Nach dem Abschalten von „Elysium“ waren jüngst 14 Verdächtige festgenommen worden. Zwölf von ihnen wird sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen. Auf der 87 000 Nutzer zählenden Plattform waren kinderpornografische Bilder und Videos ausgetauscht und auch Verabredungen zum sexuellen Missbrauch getroffen worden. Auch hier waren einige Opfer nur zwei Jahre alt.