Almería - Ein Satz schwingt seit Tagen durch Spanien wie ein wehmütiges Mantra: „Todos somos Gabriel“ – wir sind alle Gabriel. Landesweit ist jene hilflose Fassungslosigkeit zu spüren, die durch den gewaltsamen Tod eines Kindes ausgelöst wird. Der „Fall Gabriel“ hat seit dem Wochenende sogar die separatistischen Bestrebungen Kataloniens – den Nachrichten-Dauerbrenner schlechthin – aus den Medien verdrängt. Ob der König, der Regierungschef, Fußballstars und Formel-1-Piloten: Alle trauern um den achtjährigen Jungen aus Andalusien, dessen Tod nicht nur die Anteilnahme, sondern auch die Wut einer ganzen Nation entfesselt hat.

Der Zorn richtet sich gegen die mutmaßliche Täterin, die 43 Jahre alte Lebensgefährtin des Vaters. Sie hatte sich noch selbst an der Suche nach dem als vermisst gemeldeten Kind beteiligt und vor laufenden Kameras – augenscheinlich tief geschockt und ergriffen – den verzweifelten Vater getröstet. Vor wenigen Tagen dann gestand sie, das Kind getötet zu haben.

Aber von Anfang an: Es ist der 27. Februar, als Gabriel Cruz in der Ortschaft Las Hortichuelas in der Nähe von Almería spurlos verschwindet. Dabei war er nur auf dem Weg vom Haus seiner Großmutter zu dem eines Cousins.

Hundertschaften der Polizei und immer mehr Freiwillige durchkämmen das Gebiet – vergeblich. Einige Tage später taucht ein Unterhemd auf, auf dem DNA-Spuren Gabriels gefunden werden. Die Partnerin des Vaters gibt an, das Kleidungsstück in der Nähe einer Kläranlage entdeckt zu haben.

Später wird bekannt: Die aus der Dominikanischen Republik stammende Frau, die seit mehr als 20 Jahren in Spanien lebt, galt von Anfang an als Hauptverdächtige. Am vergangenen Sonntag dann folgt die Polizei der Frau unauffällig zu einer Finca, in der sie die Leiche Gabriels zunächst versteckt haben soll. Sie lädt den leblosen Körper in den Kofferraum ihres Wagens – und wird von der Polizei gestoppt.

Seither ist Ana Julia Q. zu so etwas wie Spaniens „Staatsfeind Nr. 1“ geworden.