Kassel - Das Kasseler Kunstwerk, das im Internet gerade die meisten Likes bekommt, steht nicht auf der documenta, sondern hängt seit Donnerstag an einer Hauswand in der Kasseler Innenstadt, direkt an der Einkaufsmeile Untere Königsstraße. Es ist ein 7,50 Meter mal 6,50 Meter großes Riesenposter, zeigt ein Jugendbild des Influencers Wilke Zierden (425 000 Instagram-Follower) und den Spruch „Pass auf, wen du ärgerß“. Bei Instagram erhielt es allein am Montag mehr als 70 000 Likes.

Wer das alles nicht versteht, wird vermutlich auch am Ende dieses Textes etwas ratlos sein. Aber das Banner unweit des Druselturms ist ein ziemlich lustiger Internet-Blödsinn, den sich der Influencer Malte Zierden ausgedacht hat. Der hat noch 35 000 mehr Fans als sein Bruder Wilke. Und das alles hat eine nicht ganz einfache Vorgeschichte.

Seit Längerem nehmen sich die beiden aus Ostfriesland stammenden Internet-Helden gegenseitig auf die Schippe, weil angeblich Malte (29) einen Wasserkocher von Wilke (35) verloren hat. Der ältere der beiden Brüder, der mit „Wilkes Welt – Ohne Plan zum Traumhaus“ auf Vox ein eigenes Reality-TV-Format hat, schaltete Stars wie Roberto Blanco und Oli P. ein, die sich für ihn stark machten. Und beim Deichbrand-Festival bei Cuxhaven stellte er ein nicht ganz vorteilhaftes Porträt seines Bruders in die Menschenmenge. Nun revanchierte sich Malte in Kassel mit einem Bild des 16-jährigen Wilke.

Im Grunde machen die beiden bei TikTok und Instagram nichts anderes als Comedians in den Neunzigern bei RTL. Nur dass ihre Späße nicht bei „Samstag Nacht“ laufen, sondern rund um die Uhr im Netz. Nicht nur Teenager lieben die beiden. Auch Stars wie Lena Meyer-Landrut folgen den Brüdern bei Instagram. Sie sind gut im Geschäft.

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Bekannt wurde Malte Zierden 2019, als er einen Klinikaufenthalt wegen einer komplizierten Kiefer-OP in komischen Videos dokumentierte. Mit Influencern, die Schmink- und Modetipps geben, hat der Wahl-Hamburger jedoch nicht viel zu tun. Er engagiert sich für soziale sowie Tierschutzprojekte und vertreibt faire Kleidung.

Manche feiern ihn darum als Anti-Influencer. Fragt man ihn, wie er sich sieht, sagt er bescheiden: „Wenn man der Realität ins Auge schaut, bin ich nicht viel mehr als ein Mensch, der im Internet arbeitet.“ Trotz des Ruhms träumt der Student nach wie vor davon, einmal als Kinder- und Jugend-Psychotherapeut zu arbeiten.

Das Bild seines Bruders soll in Kassel noch bis Anfang September hängen, wie eine Mitarbeiterin der ostwestfälischen Werbefirma Complac Medienservice sagt, die die Aktion mit dem Riesenposter organisierte und Kassel als Standort auswählte – auch wegen der documenta. Wie teuer das Ganze war, verrät die Mitarbeiterin nicht

Als Malte Zierden am Donnerstag das Banner aufhängte, wurde er von einem Dutzend Fans beobachtet. Anschließend besuchte er die documenta. Normalerweise skatet er bei einem Halt in Kassel in der Hall of Fame unter der A 49 an der Giesenallee, die nicht nur bei ihm einen legendären Ruf besitzt. Nun beeindruckte ihn die Halfpipe in der documenta-Halle. „War wirklich schön bei euch“, sagt er. Ein Like von Malte Zierden hat Kassel sicher.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen und wurde der NWZ vom Autor zur Verfügung gestellt.