Bad Berleburg - Es dämmert noch am frühen Morgen in Bad Berleburg, als plötzlich zwei schwere Gullydeckel die Frontscheibe einer Regionalbahn durchschlagen. Der Lokführer kann eine Notbremsung mit dem noch unbesetzten Zug vollziehen, sich selbst wegducken. Die 45 mal 45 Zentimeter messenden und mehr als 30 Kilogramm schweren Gullydeckel waren unter einer Brücke angebracht worden, baumelten in die Tiefe, krachten um 5.44 Uhr frontal in den Triebwagen der Hessischen Landesbahn. So schildert Staatsanwalt Fabian Glöckner den spektakulären Vorfall nahe Siegen vom 13. April 2019 vor dem Amtsgericht Bad Berleburg, wo der Prozess gegen den Lokführer begonnen hat.

Die Anklage sagt: Der unverletzt gebliebene Lokführer war nicht Opfer, sondern Täter, hat alles inszeniert. „Aus nicht bekannter Motivlage heraus“, trägt Glöckner vor. Der Fall hatte bundesweit Aufsehen erregt. Auch, weil die Ermittler zunächst eine Amoklage nicht ausschlossen, man dann von einem Mordanschlag ausging – bevor der Verdacht auf den Lokführer fiel.

Am Freitag lauscht der 50 Jahre alte Angeklagte ruhig den geladenen Zeugen – allesamt Polizisten, die damals im Einsatz waren. Im Mittelpunkt stehen zwei Fragen: Welchen Eindruck machte der Zugführer nach dem Geschehen – war er gefasst, wirkte er abgebrüht oder unter Schock? Und vor allem: Wie kommen seine DNA-Spuren an die Kanaldeckel und an die Seilkonstruktion, an der die Gullydeckel befestigt waren?

Der Mann selbst äußert sich zunächst nur zu seiner Person – er ist nicht berufstätig und lebe von Krankengeld – und sagt zu den Vorwürfen: „Im Moment schweige ich noch.“ Die Anklage wirft ihm vor, eine Straftat vorgetäuscht und gefährlich in den Bahnverkehr eingegriffen zu haben. Bei Wohnungsdurchsuchungen waren Ermittler auf Schneidewerkzeuge, Handschuhe oder auch ähnliche Knoten wie an der Gullydeckel-Falle am Brückengeländer gestoßen. Am 25. September sollen Gutachter angehört werden. Am 2. Oktober ist ein Urteil möglich.