Ostfriesland - Wer mit Tempo 100 über eine Landstraße in Ostfriesland fährt und ein rund 20 Kilogramm schweres Reh erwischt, muss mit einem Aufprallgewicht von rund einer halben Tonne rechnen Es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, sich die Konsequenzen eines solchen Aufpralls für den Fahrer, das Auto und nicht zuletzt für das Reh auszumalen. Bei einem Wildschwein wäre es übrigens ein Aufprallgewicht von rund 3,5 Tonnen, wenn das Auto mit 60 Stundenkilometer aufs Tier trifft – was mit einem Nashorn vergleichbar wäre, weiß der Deutsche Jagdverband zu berichten. Eine Wucht, die niemand unterschätzen sollte. Und so gilt gerade zu dieser Jahreszeit, besonders aufmerksam zu fahren, um solche und ähnliche Unfälle zu vermeiden. Denn der Herbst ist auch Wildwechselzeit – und die ist gefährlich.
Dämmerung, Frühnebel, Dunkelheit
„Im Spätsommer werden die Tage wieder kürzer und vor allem im morgendlichen Berufsverkehr sind die Sichtverhältnisse durch Dunkelheit, Dämmerung und oftmals auch Frühnebel nicht unerheblich eingeschränkt. Ebenso sind der Spätsommer und der beginnende Herbst wieder die Hauptzeiten, in denen es zu Kollisionen mit Wildtieren kommen kann“, warnt deshalb auch die Pressestelle der Polizeiinspektion Leer/Emden. Die Beamten mahnen, nicht nur auf Land- und Bundesstraßen auf Wildwechsel zu achten, sondern auch auf den Autobahnen. „Besonders gefährlich sind Bereiche, die durch Wald- und Feldgebiete führen und auch neue Strecken, die den ursprünglichen Weg des Wildes kreuzen.“
Hunderte Unfälle
Die Hochzeiten für Wildunfälle sind zum einen die Herbstmonate von Oktober bis Dezember und zum anderen die Frühjahrsmonate April und Mai. Über das Jahr gerechnet kommt es bisweilen zu mehr als 450 Wildunfällen im Einzugsgebiet der Polizeiinspektion Leer/Emden, vor allem mit Rehwild. Im Einzugsgebiet der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund gab es laut Pressestelle im vergangenen Jahr 782 Wildunfälle, davon 493 im Landkreis Aurich und 289 im Landkreis Wittmund.
Bremsweg beachten
Wichtig: Niemals die Bremswege unterschätzen. Bei Tempo 60 misst dieser zu einem 60 Meter entfernt stehenden Hindernis knapp 35 Meter, bei Tempo 80 sind es rund 55 Meter – und bei 100 Stundenkilometer ist es fast unvermeidbar, das Wild zu treffen, denn auch bei einer Vollbremsung, so der Deutsche Jagdverband, kracht der Fahrer mit 79,8 Kilometer pro Stunde in einen 60 Meter entfernt stehenden Hirsch. Und dann, so der Jagdverband, ist die Kollision mit einem Elefanten vergleichbar, denn das Aufprallgewicht entspricht fünf Tonnen.
Ein Reh kommt selten allein
Doch es gibt noch ein paar mehr Faustregel: Ein Reh kommt selten allein – Autofahrer sollten grundsätzlich davon ausgehen, dass einem Tier weitere folgen. Ein guter Sicherheitsabstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug muss eingehalten werden und bei einem Wildtier am Straßenrand sollte vorsichtig abgebremst (nachfolgenden Verkehr beachten) und gehupt werden. Fernlicht ist nicht die Wahl der Stunde, denn das verscheucht kein Wild.
Kein Wild mitnehmen
Kommt es doch zu einem Unfall, dann gilt: „Sichern Sie die Unfallstelle. Warnblinkanlage einschalten, Warnweste anziehen und Warndreieck aufstellen. Wurden Personen verletzt, dann umgehend Hilfe hinzuziehen“, so die Polizei-Pressestelle Leer/Emden. Sind keine Menschen verletzt, sollten Polizei oder Jagdpächter informiert werden.
Aufgrund der Infektionsgefahr dürfen tote Tiere laut Jagdverband niemals ohne Handschuhe angefasst werden. Und auch zu verletzten lebenden Tieren sollte immer Abstand gehalten werden. Darüber hinaus gilt: Geflüchtete Tiere niemals verfolgen und Wild niemals mitnehmen, denn das wäre Wilderei und ist strafbar. Für die Versicherung sollten sich Betroffene eine Wildunfallbescheinigung ausstellen lassen.