Wildeshausen/Landkreis - Wenn Hendrik Hellmers mit seinem Papa Gerald Plattdeutsch spricht, fällt eines auf: Der Brettorfer beherrscht die Sprache problemlos. Sich „up platt“ zu unterhalten, gehört für ihn zum Alltag – damit gehört der Zwölfjährige aber offenbar zu einer Minderheit.
„Hohes Kulturgut“
„Verstehen können sie es alle“, sagt Wildeshausens Plattdeutsch-Beauftragter Friedrich Ahlers. Nur mit dem Snacken hapere es bei den Jugendlichen. Die plattdeutschen City-Cards sind ein Versuch, die Sprache präsenter zu machen (siehe Kasten). In dem Zusammenhang sagt Ahlers: „Plattdeutsch ist ein hohes Kulturgut. Wenn wir nicht aufpassen, wird es immer weniger.“ Und wenn erst einmal nur noch wenige Menschen diese Sprache beherrschen? „Das Rad kriegt man kaum zurückgedreht.“ Um Plattdeutsch zu sprechen, müsse eine Hemmschwelle überschritten werden. „Man muss sich nur trauen.“ Wenn das „Snacken“ am Anfang nicht so klappt, müsse man einfach weitermachen: „Als man angefangen hat zu laufen, hat man ja auch nicht nach dem zweiten Tag aufgehört, nur weil man hingefallen ist.“
Ähnlich sieht es Egon Eilks, Mitglied der Wildeshauser Schützengilde: „Es ist zeitlich überholt“, sagt der 83-jährige Wildeshauser. „Viele können es nicht mehr sprechen.“ Es sei typisch für Norddeutschland, „vornehm zu sein und Hochdeutsch zu sprechen“, vermutet er. Er beobachte, dass mehr „Denglisch“ (deutsche und englische Wörter miteinander vermischt) als Platt gesprochen werde. Schon vor rund zehn Jahren hatte Eilks in der Schützengilde beantragt, dass dort mehr Plattdeutsch gesprochen werden solle. „Der Jubel war groß“, sagt er – dabei sei es aber auch geblieben. Auch er beobachte, dass Kinder und Jugendliche die Sprache zwar verstünden, aber nicht selbst sprechen würden. Einfach mal drauf lossnacken, lautet seine Devise. Und wenn mal ein Fehler unterläuft? „Schad’ ja nichts.“
Fehler beim Sprechen macht Hendrik heute keine mehr. „Früher musste ich mir ab und zu den Satz erst auf hochdeutsch überlegen und dann übersetzen.“ Schwierig werde es nur, wenn er es mit anderem Platt – beispielsweise ostfriesischem – zu tun bekomme. Der Brettorfer wuchs zweisprachig auf. Vater Gerald spricht mit ihm Plattdeutsch, Mutter Hilke Hochdeutsch. Warum es Gerald Hellmers wichtig war, dass sein Sohn Platt snacken kann? „Es ist eine schöne Sprache. Ich finde sie viel natürlicher als Hochdeutsch.“ Als Hendrik jünger war, sei er manchmal mit den Wörtern durcheinandergekommen. Da habe er manchmal mitten im hochdeutschen Satz einen plattdeutschen Begriff eingebaut. „Das ist mir erst neulich wieder passiert“, sagt Hendrik und lächelt.
In seiner Schule stelle er fest, dass er im Grunde der einzige sei, der im Alltag platt spreche, sagt er. Er ist dafür zu haben, einfach drauf los zu sprechen: „Snack man to!“, sagt er. Dass er auch sehr gut Plattdeutsch lesen kann, bewies Hendrik im vergangenen Jahr: Beim „27. Lääswettstriet Plattdüütsch“ der Oldenburgischen Landschaft las er sich Runde um Runde weiter.
Lernen durch Hören
Erfolgreich bei dem Vorlesewettbewerb dabei war auch Clara Meyer-Nicolaus. Die 16-jährige Wildeshauserin spreche zwar im Alltag kein platt, sagt sie. „Aber ich gehe jedes Jahr ins plattdeutsche Theater.“ Um Plattdeutsch sprechen zu können, reiche es nicht, nur Texte zu lesen. „Man muss sich an den ,Slang’ gewöhnen, es hören, um es sprechen zu können.“ Auch sie stelle fest, dass Plattdeutsch unter Jugendlichen kaum gesprochen werde. Sie aber habe Spaß am Plattdeutschlesen. Drei Mal hatte sie bisher beim Lesewettbewerb mitgemacht. „Da habe ich Ehrgeiz entwickelt. Beim nächsten Mal möchte ich auf jeden Fall wieder mitmachen.“