Karlsruhe/Sulzbach - „Kunde“, „Kontoinhaber“, „Einzahler“, „Sparer“ – Marlies Krämer, engagierte Kämpferin für Frauenrechte aus dem saarländischen Sulzbach, fühlt sich mit diesen männlichen Bezeichnungen nicht angesprochen. Die 80-Jährige will auch in Formularen als das wahrgenommen werden, was sie ist: als Frau, – und hat deshalb ihre Sparkasse verklagt. An diesem Dienstag prüft der Bundesgerichtshof in Karlsruhe den Fall (VI ZR 143/17).

Das Verfahren mag manchem als Posse erscheinen – je nach Entscheidung der höchsten deutschen Zivilrichter könnte der Ausgang aber durchaus Folgen für die Fortentwicklung der Rechts- und Formularsprache haben.

„Es geht ums Prinzip“, sagt Krämers Anwalt Wendt Nassall. Um Gleichbehandlung, wie es das Gesetz vorschreibt. Marlies Krämer reicht es nicht, dass ihre Bank sie im Gespräch und in persönlichen Schreiben als „Frau“ anspricht. Sie will sich auch in unpersönlichen Formularen als „Kundin“, „Kontoinhaberin“, „Einzahlerin“ oder „Sparerin“ wiederfinden. „Es ist mein verfassungsmäßig legitimes Recht, dass ich als Frau in Sprache und Schrift erkennbar bin“, sagt sie.

100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sollte das aus Sicht von Stevie Schmiedel selbstverständlich sein. Die Gründerin der Initiative „Pinkstinks“, die seit Jahren gegen Geschlechterklischees angeht, meint: „Es ist unfassbar, dass alle Geschlechter 2018 noch als Männer angesprochen werden.“ Nur „mitgemeint“ sei nicht genug. Sie unterstützt die Klage.

Beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband versteht man die Aufregung nicht. Man spreche Kunden grundsätzlich geschlechtsspezifisch an. Nur bei Vertragsmustern sei dies anders. „Es handelt sich dabei häufig um rechtlich komplexe Texte, die im Satzbau durch die Verwendung beider Geschlechter zusätzlich verkompliziert würden. Deswegen wird bei diesen Formularen eine einheitliche Form der Ansprache gewählt“, erläutert Sprecher Stefan Marotzke.

Das Landgericht Saarbrücken, das die Klage in zweiter Instanz zurückwies, sieht das ebenso: In Formularen – wie in der juristischen Fachsprache – werde das „generische Maskulinum“ (grammatisch maskuline Substantive) verallgemeinernd geschlechtsneutral verwendet. „Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits seit 2000 Jahren schon im allgemeinen Sprachgebrauch bei Personengruppen beiderlei Geschlechts das Maskulinum als Kollektivform verwendet und es sich insoweit um nichts weiter als die historisch gewachsene Übereinkunft über die Regeln der Kommunikation handelt.“

Ein skurriles Argument, findet Mechtild Düsing, Vorstandsmitglied beim Deutschen Anwaltverein. Vor dem Hintergrund des jahrhundertelangen Kampfes von Frauen für Gleichberechtigung meint sie: „Was vor 2000 Jahren richtig war, kann heute nicht mehr richtig sein.“ Gerade Sparkassen als öffentlich-rechtliche Organisationen seien an die Einhaltung der Grundrechte und damit an den Gleichheitsgrundsatz gebunden.