Grafenau - Sogar die meisten Einheimischen haben inzwischen ihren Frieden gemacht mit dem einst ungeliebten Nationalpark, in dem Borkenkäfer auf den Fichten leben und der Hochwald nicht wie gewohnt aufgeräumt wird: „86 Prozent der lokalen Bevölkerung standen dem Nationalpark 2018 laut einer Studie positiv gegenüber“, sagt Franz Leibl, Direktor des Nationalparks Bayerischer Wald. Der Bayerische Wald war vor 50 Jahren der erste deutsche Nationalpark; gegründet wurde er am 7. Oktober 1970.
Anfangs gab es heftigen Widerstand dagegen, den Wald sich selbst zu überlassen. Doch die Menschen hätten begriffen, dass sich der abgestorbene Wald von selbst erneuert, sagt Leibl. Nur noch eine Minderheit artikuliere Widerstand gegen Luchs und Wolf, die sich wieder verbreiten.
Die Luchs-Population habe mit 28 erwachsenen Tieren einen neuen Höchststand erreicht. Vor drei Jahren stromerten dann drei Wolfswelpen durch den Nationalpark. Zwei sind abgewandert, nur das junge Weibchen blieb. Die Elterntiere stammen aus Italien und Polen. Auch den bedrohten Auerhühnern gehe es gut, sagt Leibl.
Über 24 000 Hektar groß
Ein Eldorado also für Wildtiere hat sich an der Grenze zwischen Niederbayern und Böhmen entwickelt. Der erste deutsche Nationalpark umfasst heute 24 250 Hektar. „Wir profitieren durch das Hinterland“, sagt Leibl und meint damit die 68 520 Hektar des benachbarten tschechischen Nationalparks Sumava. Gemeinsam mit den Kollegen in Böhmen will Leibl das naturnaheste Waldgebiet Mitteleuropas schaffen.
Die Idee eines Nationalparks ging schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts um. Als Hubert Weinzierl, ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter der niederbayerischen Regierung, in den 60er Jahren in alten Akten auf die Idee stieß, planten die Behörden gerade einen Skizirkus in dem strukturschwachen Gebiet zwischen Rachel und Lusen.
Grzimek als Fürsprecher
Gemeinsam mit dem BUND Naturschutz in Bayern, dessen Vorsitzender er damals war, gelang es Weinzierl, die Nationalpark-Idee mit dem Tourismus-Interesse zu verbinden. Als Verbündeten gewann er den Zoologen und Tierfilmer Bernhard Grzimek. Auf den härtesten Widerstand stieß er bei der Staatsforstverwaltung. Erst 1969 wurde der Weg frei für den Nationalpark.
Seitdem haben die Bundesländer gemeinsam mit Bundesumweltministerium und Verkehrsministerium weitere 15 Nationalparke ausgewiesen, insgesamt gut eine Million Hektar. Große Teile davon sind maritime Gebiete: das Wattenmeer und die Vorpommersche Boddenlandschaft.
Weinzierls Weitblick
Weinzierls Weitblick zahlt sich heute aus. Etwa tausend Menschen beschäftigt der Nationalpark, darunter 23 Ranger, die über die Kernzonen wachen und die Fragen der Touristen beantworten. Im Tierfreigelände bei Alt-Schönau können sie heimische Säuger wie Fischotter, Bär, Wolf und Luchs besichtigen. In den Freigehegen bei Ludwigsthal am Falkenstein sind sogar Urpferde und rückgezüchtete Auerochsen zu sehen.