Hagnau - Ein rotes Gummi-Haarband ziert das abgegriffene Holzsteuerrad. Der Bootsmotor brummt leise vor sich hin. Lange, braune Locken lugen unter einer blauen Seemanns-Wollmütze vor. Heike Winder sieht nicht so aus, wie man sich einen typischen Fischer vorstellt. Fast ist es, als versinke die 47-Jährige in ihrer Plastiklatzhose und den derben Gummistiefeln.

Sieben Fischerinnen gibt es am Bodensee, von mehr als 100 Fischern insgesamt. Netze aus dem Wasser ziehen, Fische aus den Maschen winden. Felchen, Kretzer, Seeforellen, Saiblinge. Krebse, die sich verhakt haben, werden mühsam entheddert.

Sanft wippt das leichte Aluminiumboot auf den Wellen. „Es ist die Ruhe, morgens auf dem See, was es ausmacht“, erklärt Winder. „Warum man es immer noch macht, auch wenn man davon eigentlich nicht mehr leben kann.“ Auch ihr Mann ist Fischer. Das Familienbudget stocken sie mit der Vermietung von Ferienwohnungen auf.

„Der Bodensee ist mittlerweile so sauber, dass die Fische zu wenig zu fressen haben, zu wenig Nährstoffe im Wasser“, erläutert die zweifache Mutter. Weniger Fische, weniger Fang. Letzterer ist auch heute übersichtlich. Zurück im Haus der Familie, direkt am Seeufer, wird im Keller geschuppt, filetiert, gewaschen, gesalzen und danach geräuchert.

„Der Räucherofen ist noch von Großvater“, berichtet Winder auf dem Weg in den Garten. Netze ausbreiten, flicken, „die sind größtenteils handgemacht“. Wie der delikate, goldgelb schimmernde Felchenkaviar, der wenig später auf schmalen Baguettescheiben serviert wird.

An Bord des nächsten Kutters, der „Teamwork“. Zusammen mit einem guten Tropfen aus der Region und Seemannsgarn. „Wir verbringen den Ruhestand am Bodensee“, erzählt Gunther Hartmann (84), U-Boot-Kommandant a.D.. „Ein Kompromiss: Ich stamme aus Flensburg, meine Frau aus Südtirol. Hier ist es im Hinterland wie auf der Alm, auf dem See wie am Meer.“ Gemeinsam mit Kollegen der Wassersportgemeinschaft Hagnau hat er das Marine-Rettungsschiff wieder seetüchtig gemacht, schippert nun Gäste vorbei an Weinbergen, Pfahlbauten und Stadtansichten.

Wenig später, festen Boden unter den Füßen, warten in Lippertsreute zur Abwechslung Reifen statt Planken: ein Obsterntewagen. Eine Art überdimensionale Obstkiste, von einem Traktor gezogen. „Apfelzügle“, nennt Landwirt Joachim Knoll ihn und gondelt Richtung Plantage.

„Bei uns hat alles noch einen Wert, es gibt immer eine Verwendung fürs Obst“, versichert der Plantagenbesitzer. „Klasse eins ist Tafelobst, zwei Schälware für die verarbeitende Industrie, drei Mostobst.“ Dann ordnet er 13 Glasflaschen wie Orgelpfeifen an. Saft? „Obstbrand“, erwidert Knoll. Zum Start gibt’s einen Obstler, zum Abschluss leichtes Schwanken – ganz ohne Bodenseeschifffahrt.

Im Gegensatz zu den großen Knollschen Spalier- und Niederstammanlagen hat der Koch Markus Keller eine Art Museumsgarten, eine Obsthochstammanlage, neben seinem Landgasthof in Lippertsreute. Robuste, alte Sorten, ungespritzt. „In Erinnerung daran angelegt, wie Obstbau früher in unserer Region aussah“, sagt er und schneidet mit geübter Hand einige Äpfel- und Birnenspalten. Sein Wissen über regionale Produkte gibt der Gasthofbesitzer auch in Kochkursen weiter.

Neben Äpfeln bietet die Region auch einen großen Schatz ausgezeichneter Weine. Von lieblich bis trocken. Wer beim Traubenlesen, „wimmeln“, wie es regional heißt, nicht richtig zupackt, muss nicht lange auf guten Rat warten. Im 1400-Seelen-Dorf Hagnau gibt es mehr als 50 Winzerfamilien. „Immer gegen den Berg. Wenn man tiefer steht, sieht man den Stiel besser zum Abschneiden“, erklärt ein Erntehelfer.

Nächster Halt: Winzerverein Hagnau, die älteste Winzergenossenschaft im Weinanbaugebiet Baden. Dort wird die Ernte gewogen und der Öchslegrad, der Zuckergehalt, ermittelt. Ein paar Stufen führen hinab zum Herzstück des Winzervereins. Im Keller brennen Stabkerzen in Weinflaschen, gigantische Holzfässer erinnern an Jubiläen. Es ist das Reich von Kellermeister Jochen Sahler. Hier schafft und hütet er mit seinem Team literweise flüssigen Genuss.

Anita Schmidt, ehemalige badische Weinkönigin, schwärmt von „Fülle“ und „Konsistenz“. „Jede Beere hat ihr eigenes Aroma“, erläutert die diplomierte Betriebswirtin: „Weine müssen nicht von Anfang an voll da sein. Sie machen Stück für Stück auf.“