Bad Zwischenahn - Fragt man Michael Hähnel nach den drei größten Herausforderungen, vor denen die Rügenwalder Mühle steht, so fällt die Antwort des Vorsitzenden der Geschäftsleitung ziemlich eindeutig aus: „Kapazitäten, Kapazitäten, Kapazitäten.“ Dank eines rasanten Wachstums mit veganen und vegetarischen Produkten und eines stabilen Geschäfts mit klassischen Wurstwaren hat der Lebensmittelhersteller aus Bad Zwischenahn den Nettoumsatz 2020 um satte 22 Prozent auf 233,7 Millionen Euro steigern können, wie das Unternehmen jetzt beim Bilanz-Pressegespräch mitteilte. „Wir haben 2020 trotz Corona ein extrem beeindruckendes Jahr hingelegt“, sagt Hähnel.
Um diesen Wachstumskurs fortsetzen zu können, denkt die Geschäftsleitung nun auch verstärkt über neue Wege und neue Standorte – auch außerhalb von Bad Zwischenahn – nach. „Wir planen die Übernahme von anderen Standorten, die zum Verkauf stehen, aber durchaus auch Akquisitionen, um unsere Kapazitäten kurzfristig und schnell zu erhöhen“, sagt Hähnel.
Geschäftslage
Während die Rügenwalder Mühle den Umsatz 2020 um 22 Prozent auf 233,7 Millionen Euro steigern konnte, legte der Absatz um 15,2 Prozent auf 30 800 Tonnen zu. Bei den klassischen Fleisch- und Wurstwaren verzeichneten die Ammerländer 2020 ein leichtes Umsatzplus von rund zwei Prozent, bei Veggie-Produkten von 72,9 Prozent. „Wir wachsen damit noch dynamischer als der Markt“, betont Hähnel. Der Markt für Fleischalternativen in Deutschland legte 2020 insgesamt „nur“ um 65,4 Prozent zu. Bei Rügenwalder seien klassische und Veggieprodukte nun praktisch gleichauf, wobei Fleisch 2020 noch „eine Nasenlänge“ Vorsprung gehabt hätte. „Trotz eines sehr widrigen Jahres haben wir uns als ein Lebensmittelhersteller mit zwei gesunden Standbeinen etabliert“, so Hähnel.
Um 14 Prozent auf 740 ist die Zahl der Mitarbeiter nach Rügenwalder-Angaben 2020 gewachsen – und zwar sowohl im Produktions- und Verpackungsbereich, als auch in Verwaltungsbereichen wie Vertrieb, Controlling, Warengruppenmanagement und Marketing. In den ersten Monaten des neuen Jahres hat das Unternehmen das Personal weiter kräftig aufgestockt. Mittlerweile (Stand 1. April) beschäftige man schon 820 eigene Kräfte. „Wir setzen mehr und mehr auf eigene Mitarbeiter und haben die Zahl der Leiharbeitskräfte weiter deutlich reduziert“, sagt Hähnel. Allein in diesem Jahr habe man schon mehr als 30 Mitarbeitern Festverträge angeboten.
Zum Gewinn macht Rügenwalder traditionell keine Angaben. 2019 lag der Jahresüberschuss laut Bundesanzeiger bei 4,7 Millionen Euro (2018: 4,4 Millionen).
Gerade im Hinblick auf Veggie ist Hähnel auch für die Zukunft optimistisch: „Ich persönlich gehe davon aus, dass das kräftige Wachstum bleibt. Dieser Markt wird nach Corona vielleicht nicht mehr um 70 Prozent wachsen, aber immer noch signifikant, weil einfach mehr Verbraucher zu vegetarischen und veganen Produkten greifen.“
Investitionen
Rund 13,5 Millionen Euro hat das Unternehmen 2020 am Standort Bad Zwischenahn in eine neue Produktions- und Lagerhalle mit „Europas modernstem Gewürzregallager“ (Hähnel) investiert. Mitte 2021 soll das neue Produktionsgelände offiziell in Betrieb genommen werden. „Hier am Standort Bad Zwischenahn haben wir damit Stand heute das Maximum erreicht“, sagt der Rügenwalder-Chef.
Kapazitäten
Um trotz beschränkter baulicher Möglichkeiten in Bad Zwischenahn die Kapazitäten erhöhen zu können, plant Rügenwalder sowohl intern wie extern spürbare Veränderungen. „Das heißt, dass wir hier am Standort Bad Zwischenahn über andere Arbeitszeitmodelle, auch über Modelle, wie wir die Schichten noch besser auslasten können, nachdenken. Und das heißt auch, dass wir auf der Suche nach neuen Standorten sind“, sagt Hähnel.
Zu Details, wie diese neuen Arbeitszeitmodelle aussehen könnten und ob etwa auch eine Ausweitung der Arbeit an Wochenenden eine Option sein könnte, äußerte sich Hähnel nicht. Im Hinblick auf neue Standorte betonte Hähnel, dass man gezielt in der Region schaue, „das heißt in einem Umkreis von 200 bis 250 Kilometern“.
Potenzial sieht der Rügenwalder-Chef auch noch in den Arbeitsprozessen, etwa bei Lieferketten und einer effizienteren Produktion. „Da geht es auch um Robotik und Automatisierung. Da haben wir noch unglaublichen Nachholbedarf“, sagt er. „Der Markt ist erwachsen geworden und entsprechend müssen wir uns auch aufstellen“, betont er. „Sprich prozessorientierter, analytischer, strukturorientierter und noch deutlich fokussierter.“ Nötig sei ein Paradigmenwechsel. „Weniger Bauchgefühl, mehr begründete Analytik.“