Köln/Hamburg - Viele Berufstätige leisten eine Art Dauersprint: Ständig geben sie ihr Bestes, arbeiten an ihrer Leistungsgrenze. Muss das sein? Oder kann man auch mal einen Gang runterschalten?
Betrachtet man die Frage aus rechtlicher Sicht, gilt: Der Arbeitnehmer verwertet seine Arbeitskraft und die muss er so gut er kann einsetzen, wie Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht, erklärt. „Seine Arbeit muss zwar nicht objektiv gut sein, aber er muss sich subjektiv anstrengen.“
Die rechtliche Lage
Theoretisch können Vorgesetzte Mitarbeitende, die sich dauerhaft nicht anstrengen, obwohl sie könnten, verhaltensbedingt kündigen. Das ist in der Praxis in vielen Jobs natürlich schwer messbar und noch schwerer nachweisbar.
Hat jemand mal einen schlechten Tag oder auch eine Woche, in der er oder sie weniger leistet, gebe es keine rechtliche Handhabe, sagt Oberthür. „So etwas lässt sich meist nur über Führungsmethoden wie zum Beispiel mehr Unterstützung lösen.“
Belohnung bieten
Coach und Autor Jochen Mai hält es in Sachen Führung für wichtig, Mitarbeiter für Leistung zu belohnen, damit sich Produktivität auszahlt. „Beschäftigt aussehen und anwesend sein, das ist für viele Chefs immer noch ein Indikator für Leistung.“
Der mögliche Effekt: Wer nach fünf Stunden mit seiner Arbeit für den Tag eigentlich fertig ist, tut so, als hätte er noch zu tun. Denn sonst, so erklärt Mai, bekomme er wahrscheinlich eine neue Aufgabe – eher Strafe als Belohnung.
Mai, der auch Gründer der Plattform Karrierebibel ist, plädiert dafür, Ziele samt einer realistischen Deadline statt feste Arbeitszeiten vorzugeben. „Und wer die Arbeit nach sechs statt acht Stunden fertig hat, der kann Feierabend machen.“
Will jemand seine beruflichen Sprints allerdings eigenmächtig, ohne dass dies im Vertrag steht, über die Arbeitszeit ausgleichen, dann kann das ein Problem werden, warnt Nathalie Oberthür. Wer ohne Rücksprache weniger arbeitet als vertraglich geregelt ist, dem könne im Einzelfall sogar gekündigt werden – auch wenn man vorher Überstunden gemacht hat, die nicht erfasst wurden.
Lockere Tage
Leistung lässt sich aber auch auf die Art der Arbeit, anstatt auf die Arbeitszeit beziehen. So sieht es Psychologin und Coachin Kristine Qualen: „Man darf sich ruhig mal lockere Tage gönnen.“ Manchmal sei es nicht möglich, zum Beispiel komplexe Aufgaben anzugehen.
Stattdessen könne man sich an solchen Tagen Fleißaufgaben widmen: Ablage, Daten bereinigen, Kleinkram erledigen. „All die Dinge, die irgendwann mal gemacht werden müssen, kann man in solchen Phasen hervorholen“, sagt Qualen. „Ob man nun einen großen Brocken oder viele kleine Dinge erledigt – beides ist eine Leistung.“
In Sachen Leistung hört Qualen in ihrem Arbeitsalltag immer mal wieder das Sprichwort: „80 Prozent ist das neue 100 Prozent“. Das könne ja gut sein, so die Beraterin. Aber: „Es ist sehr gefährlich, diese 80 Prozent selbst zu definieren.“
Außerdem sollte definiert werden, wann etwas erledigt ist – in der Fachsprache wird das auch als „Definition of Done“ (DoD) bezeichnet. Ebenfalls wichtig sei das „Planning Poker“, wie Kristine Qualen erklärt: Also zu diskutieren, wie viel Zeit und Aufwand für einen Teilschritt nötig ist.