Amazon zieht im Moment in Achim ein Logistikzentrum hoch und auch in der Region verwirklichen private Unternehmen immer wieder in gefühlten Rekordzeiten große Bauprojekte. Einige Großprojekte der öffentlichen Hand – Elphi, BER oder Stuttgart 21 – indes liefen nur schleppend an. Der Ingenieur Prof. Dr. Hans-Hermann Prüser von der Jade Hochschule spricht im Interview über mögliche Gründe, die diesen Eindruck erklären, und wie modernes Bauen auch Einfluss auf die Lehre hat.

Herr Prüser, bauen private Investoren wirklich so viel schneller als die öffentliche Hand?

PrüserZunächst einmal ist ein fertig gestelltes Bauwerk das Ergebnis von Planung, Genehmigung, Vergabe und Realisierung. Dieser komplexe Prozess ist insgesamt richtig zu organisieren. Befasst man sich allein mit der Realisierung, so sind Bauabläufe immer dann ausgesprochen schnell, wenn sie reibungslos vorangehen und einen hohen Grad an Vorfertigung beinhalten.

Können Sie hierfür Beispiele nennen?

PrüserEin Beispiel hierfür ist der Rohbau des Logistikzentrums von Amazon in Achim. Dort wird fast die gesamte aufgehende Tragkonstruktion aus Fertigteilen vor Ort zusammengebaut, die außerhalb der Baustelle wetterunabhängig und bei hoher Qualität produziert werden. Unterstützend wirken regelmäßig wiederkehrende Gebäudestrukturen mit Schwerpunktsetzung auf die Funktion des Gebäudes, wie bei dem aktuellen Neubau des Parkhauses am Evangelischen Krankenhaus in Oldenburg. Sie basieren auf der Anpassung und Optimierung eines bewährten Bauprozesses an die örtlichen Gegebenheiten – das geht dann reibungslos und ist atemberaubend schnell.

Der Experte

Prof. Dr.-Ing. Hans-Hermann Prüser ist seit 2002 an der Jade Hochschule in Oldenburg. Dort ist der 61-Jährige aus Langwedel im Kreis Verden Dekan im Fachbereich Bauwesen, Geoinformation und Gesundheitstechnologie und für die Lehrgebiete Baustatik, Massivbau und Mauerwerksbau zuständig.

Vor seiner Zeit in der Lehre war Hans-Hermann Prüser lange Jahre in einem Ingenieurbüro tätig und hat dort Genehmigungsplanungen bearbeitet.

Können Sie diese Bauweise genauer erklären?

PrüserDie unbedingte Voraussetzung für den reibungslosen Bauablauf ist die Umsetzung einer bei Baubeginn fertigen widerspruchsfreien Planung. Dazu ist ein Gebäude quasi zwei Mal zu errichten: Das erste Mal mit allen zu berücksichtigenden Details und Bauabläufen komplett digital. Der Bauherr bzw. Nutzer kann es vorab virtuell begehen, um jede Tür, jedes Fenster, jeden Heizkörper, jede Steckdose etc. festzulegen. Alle offenen Fragen sind geklärt, wenn das Gebäude ein zweites Mal, jetzt real, errichtet wird.

Warum ist das von Vorteil beim Bauen?

PrüserDas gibt Kostensicherheit und macht den schnellen Baufortschritt möglich. Die Beteiligten wissen genau was wann erfolgen muss und Vorfertigung ist möglich. So kann in dem auf die Baustelle gelieferten Wandelement bereits die Elektroinstallation vorbereitet oder eingebaut sein. Private Investoren mögen hier in Teilen progressiver agieren als die öffentliche Hand.

Wie wird denn sonst gebaut?

PrüserWenn bei Baubeginn im Detail alles weitgehend bereits feststeht, dann werden nachträgliche Veränderungen einen erheblichen Mehraufwand bedeuten. Eine klassische Herangehensweise mit baubegleitender Planung ist dem Grunde nach flexibler. So könnte im Zuge einer Absprache auf der Baustelle eine Tür neu positioniert werden. Das hat durchaus seinen Reiz, verlängert aber zwangsläufig die Prozesse und erschwert die Kostensicherheit. Deshalb werden zunehmend und mit Erfolg Möglichkeiten eingesetzt, die das digitale Bauen bereithält.

Hat das digitale Bauen auch Auswirkung auf die Lehre?

PrüserJa, das hat bereits seit Längerem einen maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung unserer Lehre an der Jade Hochschule ausgeübt. So werden wir demnächst ein weiteres Labor für digitales Engineering in Betrieb nehmen. Dort werden Studierende in einer virtuellen Welt lernen, aktiv auf simulierte Bauprozesse Einfluss zu nehmen.