Bookholzberg - Als sich ehemalige Schüler der Fachschule Maschinentechnik Wildeshausen nach über 20 Jahren bei einem Klassentreffen wiedertrafen, konnten es seine ehemaligen Klassenkameraden kaum glauben. „Was machst Du jetzt? Kann nicht wahr sein, denn du bist doch schon rot angelaufen, wenn du deine Hausarbeiten vorstellen musstest.“ Gemeint war Schulkollege Mario Sudmann.

Auch Mario selbst hätte sich vor Jahren nicht vorstellen können, dass er einmal diesen beruflichen Neuanfang wagen würde, und das im Alter von 52 Jahren. Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätte er nicht für seine Familie eine Führungsposition abgelehnt. Aber der Reihe nach.

Marios Heimat ist Bookholzberg. In der Nähe seines Elternhauses hatte ein Landwirt Pferde, Reiten wurde zu seiner Freizeitbeschäftigung. „Als ich mit 16 Jahren meine erste 80er bekommen habe, verlagerte sich mein Interesse“, erzählt er. Aus der 80er ist mittlerweile eine Honda CBR 1000 geworden. Seine zweite Leidenschaft wurde Handball – erst in Bookholzberg, dann bei der HSG Grüppenbühren/Bookholzberg. Seit zwei Jahren steht Mario nicht mehr auf dem Feld. Seine Mannschaft ist seit vielen Jahren auch privat eng verbunden. „Ich bin sehr stolz auf diesen Freundeskreis.“

Wer Mario heute kennenlernt, kann kaum glauben, dass er in der Schule und auch später eher schüchtern und zurückhaltend war. Sein Berufswunsch war Banker, doch das Schulpraktikum sagte ihm nicht sonderlich zu. Da er nicht so recht wusste, was er wollte, meinte sein Vater Bernhard: „Warum fängst Du nicht bei uns an?“ Mit „uns“ war Flugzeugbau MBB in Lemwerder gemeint. Mario machte eine Ausbildung zum Fluggerätmechaniker und arbeitete anschließend bei der Nachfolgefirma Deutsche Airbus weiter als Flugzeugmechaniker in der Flugzeugwartung.

Von 1991 bis 1993 besuchte er besagte Fachschule in Wildeshausen. Jobs waren nach dem Abschluss Mangelware. Zur Überbrückung arbeitete Mario bei der Bookholzberger Firma Scheitz als Monteur im Wintergarten- und Fensterbau. Sein Kollege Hans-Gerd Düßmann machte sich selbstständig und Mario folgte ihm in dessen Firma. Zunächst arbeitete er als Monteur, später war er im Büro mit der Angebotserstellung betraut.

Im Oktober 2000 ging’s zurück in den Ausbildungsbetrieb, der nun Aircraft Services hieß. Es folgten verschiedene Stationen in der Flugzeugindustrie. Mario arbeitete als Wartungsingenieur, Konstrukteur und Ausstattungsmanager. 2011 wechselte er nach Nordenham zu Premium Aerotec, wo er schnell zum „Lean Experten“ befördert wurde. In dieser Funktion musste er Seminare geben. Für Mario eine Herausforderung: „Anfangs hatte ich Schweißausbrüche und Selbstzweifel.“

Sein Leitspruch lautet: „Alles ist möglich, wenn man an sich glaubt.“ Mario fing an, an sich zu glauben. Mit seiner offenen und vertrauensvollen Art konnte er die Seminarteilnehmer begeistern. Er wollte noch besser werden. In seiner Freizeit besuchte er Lehrgänge unter anderem für Kommunikation. 2017 war er Zuhörer einer „Redner-Nacht“ des Unternehmens „Gedankentanken“. In der Pause ging Mario auf die Bühne: „Das möchte ich auch gerne machen.“

Zwei Jahre absolvierte er nebenberuflich eine Weiterbildung bei „Gedankentanken“. Den 2. Oktober 2019 wird Mario nie vergessen: Auf der Volksbühne in Köln stand er als Redner vor über 400 Besuchern und für seinen Beitrag über „Beziehungen“ gab es stehende Ovationen. Mario wusste spätestens jetzt: „Das ist mein Weg.“

Für ihn ging 2020 nicht nur das Jahr zu Ende, sondern er verließ auch einen sicheren Arbeitsplatz und erfüllte sich seinen Herzenswunsch: Mit „Work & Family Coach“ ist Mario in die Selbstständigkeit gegangen. Mit selbstgestalteten Väter- und Mütterseminaren sowie Teamworkshops möchte er die Beziehungen in Unternehmen und Familien fördern. Dass er mit gutem Beispiel voran geht, haben ihm seine beiden Töchter Hanna (14) und Jule (11) bescheinigt, indem sie ihn als „Superhero“ – zu Deutsch: „Superheld“ – bezeichneten.

Mit der zweiten Tochter hatte sich sein Leben geändert. Nach der Geburt musste sich Ehefrau Heide einer Not-OP unterziehen, es folgten Wochen zwischen Hoffen und Bangen. „Da habe ich verstanden, wie wichtig mir meine Familie ist. Ich habe in der Firma in Lemwerder auf eine Führungsposition verzichtet und mich für einige Wochen beurlauben lassen, um mich intensiv um meine Familie zu kümmern“, blickt Mario zurück. Sein Weg wäre ohne dieses Ereignis sicherlich anders verlaufen.