Stuttgart - Es sind Kleinigkeiten, die zu unüberwindbaren Hindernissen werden. Eine Rampe, die zu steil gebaut wurde. Die Schwelle zur Duschkabine, die im Prospekt nicht vorkommt. Wenn Menschen mit Behinderungen auf Reisen gehen, sind sie mehr als andere darauf angewiesen, dass sie exakt das vorfinden, was sie gebucht haben.

„Eine einzelne Stufe ist im normalen Rollstuhl vielleicht noch machbar“, erklärte Peter Epp vom Zentrum selbstbestimmt Leben auf der Reisemesse CMT in Stuttgart (bis 20. Januar). Mit einem schweren elektrischen Rollstuhl, wie er selbst ihn fährt, wird sie unter Umständen zum unüberwindbaren Hindernis.

Das wirkt sich auf das Reiseverhalten aus, wie eine Befragung von 2016 zeigt. Während im Schnitt etwa 80 Prozent der Deutschen eine Urlaubsreise pro Jahr antreten, sind es unter den Menschen mit Behinderung nur 45 Prozent.

„Wir wollen das ändern und die Teilhabe möglich machen“, sagt Rolf Schrader vom Projekt „Reisen für alle“ beim Deutschen Seminar für Tourismus. Die vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Initiative kennzeichnet seit 2014 Reiseangebote in Deutschland für ihre Barrierefreiheit. Etwa 2200 wurden bisher überprüft.

Was das bedeuten kann, hat Holger Wernet erlebt. Er ist Produktmanager Wandern in der Alpenregion Tegernsee Schliersee. 2016 ließ die Region Angebote von „Reisen für alle“ zertifizieren. Bei den Wanderwegen wurde es eng. Denn für Rollstuhlfahrer darf die maximale Steigung nach den Kriterien nur sechs Prozent betragen. „Das ist fast nichts“, sagt Wernet. Am Ende wurde man am Spitzingsee auf mehr als 1000 Metern Höhe fündig. Auch rund um den Suttensee ist ein Wanderweg für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen geeignet. Insgesamt hat die Region nun drei Wanderwege als barrierefrei ausgezeichnet. Hinzu kommen Wege, bei denen Begleitpersonen empfohlen sind, und Angebote wie Kletter- und Skikurse für Rollstuhlfahrer.

Als erste Region wurde Ostfriesland von „Reisen für alle“ zertifiziert. Einzelne Orte wie Borkum oder Langeoog mussten dafür gewährleisten, dass nicht nur die Touristinformation, sondern auch Unterkünfte und Freizeitgestaltung entsprechend ausgestattet sind. Hier bemüht man sich inzwischen, Barrierefreiheit weiterzudenken. Neben Menschen mit Gehbehinderung denke man an Menschen mit Einschränkungen beim Sehen und Hören. Dazu gehören neben Prospekten und Speisekarten in Blindenschrift etwa Ferienwohnungen, die mit Lichtsignalen statt Klingeln ausgestattet sind.

Häufig genug werde Barrierefreiheit nur von Gehbehinderungen aus gedacht, klagt Rüdiger Leidner, Vorstand des Vereins Tourismus für Alle Deutschland (Natko). „Für ganz viele ist da noch nichts dabei, und das liegt nicht an den Kosten.“ Denn Hotels für Schwerhörige und Sehbehinderte zu gestalten, sei bei jeder Renovierung möglich. Dazu gehörten besonders kon­trastreiche Beschriftungen für Menschen, die schlecht sehen, oder Induktionsschleifen, mit deren Hilfe Audiosignale an Hörgeräte übertragen werden können.

Auch die Anreise, so ist auch die Erfahrung von Peter Epp, ist immer noch ein großes Hindernis. Wenn an einer S-Bahn-Station der Fahrstuhl nicht funktioniert, ist er aufgeschmissen. Ein großes Hindernis sei, dass die Bahn bei Reisen ins Ausland zwei Tage im Voraus wissen wolle, wann jemand verreist. Innerhalb Deutschlands müssen die Reisen am Vortag bis 20 Uhr bei der Mobilitätszentrale angemeldet werden. Doch: „Was ist, wenn ich kurzfristig weg muss?“, fragt sich der Mann im Elektrorollstuhl.

Für Menschen mit Behinderungen bietet die Bahn etwa die App „DB Barrierefrei“, die nicht nur auflistet, welche Aufzüge und Rolltreppen aktuell funktionieren. Auch Anzeigen an den Bahnhöfen werden akustisch oder visuell wiedergegeben.

Doch alle virtuellen Hilfen sind nutzlos, wenn die Menschen gar nicht erst zum Zug kommen: Bundesweit sind von rund 5400 Bahnhöfen erst knapp 80 Prozent stufenlos erreichbar.