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Von Grenzwerten über Downsizing Bis Zur Abgasreinigung Endlich Durchblick imSchadstoff-Dschungel

Oldenburg - Vor allem wegen des Diesel-Abgasskandals und der Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen Städte, die den europäischen Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter zu oft überschreiten, wird hierzulande viel über Diesel-Fahrverbote und Schadstoffverursacher diskutiert. Doch um welche Schadstoffe geht es? Wer legt die Grenzwerte fest und was bedeuten die Euro-Normen überhaupt? Fragen und Antworten:

Von welchen Schadstoffen ist die Rede?

Bei der Verbrennung von Kraftstoff in Fahrzeugen entstehen mehrere Schadstoffe. Die bekanntesten sind Kohlenstoffdioxid (CO 2 ), Feinstaub und Stickoxide (NOx). Letztere sind besonders durch den Diesel-Abgas-Skandal in den Fokus gerückt.

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Welche Kraftfahrzeuge produzieren welche Schadstoffe?

Durch Fahrzeuge, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, entstehen mehrere Schadstoffe. Häufig werden sie allerdings vertauscht und dem falschen Verursacher zugeordnet. Eine Liste der bekanntesten Schadstoffe und deren Verursacher:

Kohlenstoffdioxid : Mehr als 100 Millionen Tonnen des klimaschädlichen Gases Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) produzieren Kraftfahrzeuge in Deutschland jährlich. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 wurden nach Angaben des Umweltbundesamts hierzulande insgesamt (nicht nur Kfz-Verkehr) 909,4 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalente ausgestoßen, 2,6 Millionen Tonnen mehr als 2015. CO 2 entsteht, wenn kohlenstoffhaltiger Kraftstoff wie Benzin, Erdgas, Flüssiggas (LPG) oder Diesel verbrannt wird. Die Kohlenstoffatome (C) verbinden sich mit je zwei Sauerstoffatomen (O) aus der Luft. Antriebsbedingt produziert der Diesel zwar mehr CO 2 als ein Benziner, allerdings verbraucht er meist weniger, er hat einen höheren Wirkungsgrad als ein vergleichbarer Benziner, weswegen sich das wieder ausgleicht. Meistens haben Diesel daher sogar eine bessere CO 2 -Bilanz. In den vergangenen Jahren hat sich in puncto CO 2 schon einiges getan, die Fahrzeuge wurden sparsamer, der CO 2 -Ausstoß sank dementsprechend. Das Problem: Moderne Fahrzeuge werden immer größer und schwerer, Stichwort SUVs, was diesen Vorteil wieder zunichte macht. Senken lässt sich der CO 2 -Ausstoß bei Kraftfahrzeugen vor allem durch einen geringeren Spritverbrauch. CO 2 ist auch ein natürlicher Bestandteil der Atmosphäre, allerdings in einer sehr geringen Konzentration von knapp 0,04 Prozent, die für den Menschen ungefährlich ist. Kohlenstoffdioxid ist aber ein Treibhausgas, das zur Erderwärmung führt.

Kohlenstoffmonoxid : Deutlich gefährlicher für den Menschen als Kohlenstoffdioxid ist Kohlenstoffmonoxid (CO). Mehr als 700 000 Tonnen jährlich davon entstehen hierzulande durch den Kraftfahrzeugverkehr. Nach Angaben des Umweltbundesamtes waren es deutschlandweit insgesamt 2858,3 Tausend Tonnen, davon 738,5 Tausend Tonnen durch Kfz-Verkehr. CO entsteht, wenn bei der Kraftstoffverbrennung zu wenig Sauerstoff vorhanden ist und daher O-Atome fehlen. Der Diesel schneidet in puncto CO besser ab, denn für ihn gelten strengere Emissionsvorgaben bei den Euro-Abgasnormen.

Stickoxide : Kommen wir zu den Stickoxiden (NOx). Rund 500 000 Tonnen pro Jahr werden in Deutschland durch den Kraftfahrzeugverkehr davon in die Luft geblasen. Die jüngsten Erhebungen des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2016 (in NO2) haben einen Gesamtwert für Deutschland von 1216,9 Tausend Tonnen NO2 ergeben. Der Anteil des Kfz-Verkehrs lag 2016 demnach bei 486,2 Tausend Tonnen. Da der Diesel als Selbstzünder mit Luftüberschuss funktioniert (Verbrennung beim Diesel-Viertaktmotor: 1. Takt: Luft in die Brennkammern/die Zylinder; 2. Takt: Verdichtung, wodurch eine so hohe Temperatur entsteht, dass sich im 3. Takt bei der Kraftstoffeinspritzung das Kraftstoff-Luft-Gemisch selbst entzündet; 4. Takt: Ausstoß), und höhere Temperaturen bei der Verbrennung als bei einem Benziner entstehen, ist er hier im Nachteil. Denn Stickoxide entstehen in einem Fahrzeugmotor vor allem bei hohen Verbrennungstemperaturen und Luftüberschuss. Der ungefährliche Stickstoff aus der Atemluft verbindet sich dadurch mit Sauerstoff zu NO und NO2, beides giftige Stoffe, die unter anderem zur Ozonbildung beitragen und die Atemwege reizen.

Feinstaub : Als Feinstaub werden Partikel in der Luft bezeichnet, die mit bloßem Auge nicht zu sehen sind. Sie werden in verschiedene Größen unterteilt – PM2.5 und PM10. PM steht für „particulate matter“, die Zahlen geben die Größe der Partikel an. PM2.5 sind kleiner und können daher beim Menschen unter anderem in die Bronchien und Lungen gelangen, die größeren PM10-Partikel in die Nasenhöhle. Feinstaubpartikel sind in zu großer Menge ein Gesundheitsrisiko, unter anderem können sie zu Schleimhautreizungen und Entzündungen führen. Laut einer Erhebung des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2016 wurden deutschlandweit 100,8 Tausend Tonnen PM2.5 (davon 25,0 Tausend Tonnen durch Kfz-Verkehr) und 203,1 Tausend Tonnen PM10 (davon 39,1 Tausend Tonnen durch Kfz-Verkehr) ausgestoßen. Die Belastung durch den Kfz-Verkehr entsteht in Form von Ruß aus dem Auspuff, aber auch durch den Abrieb von Bremsen und Reifen. Wegen des Selbstzünderprinzips des Diesel-Motors galt er lange Zeit als großer Rußemittent. Das hat sich jedoch mit der Einführung des Rußpartikelfilters verbessert. Auch die Einspritzung wurde optimiert. Benziner sind in puncto Feinstaub auch keine Engel. Denn gerade weil es immer mehr Direkteinspritzer gibt, werden häufig drei- bis zehnmal mehr ultrafeine Partikel ausgestoßen als bei Dieselmotoren. Änderung dürfte es erst durch neue Abgasnormen geben, die eine Senkung des Ausstoßes vorschreiben. Bei neuen Benzinern ist dann auch ein Partikelfilter vorgeschrieben.

Interaktive Grafiken zum weltweiten Schadstoffausstoß und den Anteil des Kraftfahrzeugverkehrs daran (Grafiken: Björn Buske):

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Welche Probleme gibt es bei der Abgasreinigung?

Solange Fahrzeuge mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, wird es immer eine Herausforderung bleiben, möglichst alle Schadstoffemissionen in den Griff zu bekommen. Senkt man etwa den CO 2 -Ausstoß mithilfe einer effizienteren Verbrennung, unter anderem durch Direkteinspritzung, so emittieren Benziner extrem viel Feinstaub. Werden dagegen die Feinstaubemissionen mithilfe entsprechender Partikelfilter reduziert, steigt häufig der Verbrauch (wegen des Abgas-Gegendrucks) was unter anderem auch mit einem Anstieg der Stickoxid-Emissionen einhergeht (durch höhere Verbrennungstemperaturen).

Was ist Downsizing und was bringt es?

Hubraum kann man durch nichts ersetzen – außer durch mehr Hubraum. Dieses Sprichwort hatte in der Autoindustrie lange Bestand. In aktuellen Zeiten, in denen es verstärkt darum geht, möglichst sparsame Fahrzeuge herzustellen, aber gleichzeitig den Fahrspaß beizubehalten, hat sich das sogenannte Downsizing durchgesetzt. Das bedeutet: Kleinere Motoren mit weniger Hubraum, die mithilfe eines Turboladers oder eines Kompressors verdichtete Luft zusätzlich zugeführt bekommen. Man nennt diese Technik auch Aufladung. Demgegenüber stehen die Sauger. Das sind Fahrzeuge, deren Motoren ihre Leistung rein aus dem Hubraum generieren, also die angesaugte Luft in der Brennkammer verdichten – aber nicht noch zusätzlich verdichtete Luft zugeführt bekommen. Ziel der Aufladung mithilfe eines Turboladers oder eines Kompressors ist es, die gleiche oder mehr Leistung bei weniger Hubraum und bei moderater Fahrweise auch einen geringeren Verbrauch zu erreichen. Der Nachteil: Es gibt mehr Bauteile und dadurch tendenziell eine höhere Anfälligkeit für Defekte – Stichwort Turboladerschäden. Ob die Fahrzeuge so langlebig sind, wie diejenigen mit Saugmotor, kann aber noch nicht zuverlässig gesagt werden.

Bedeutet mehr Leistung auch mehr Verbrauch?

Das ist ein Trugschluss. Häufig ist sogar das Gegenteil der Fall. Hat ein Fahrzeug viel Leistung, kann es bei niedrigerer Drehzahl bei einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt werden als ein vergleichbares Fahrzeug mit weniger Leistung. Das wiederum bedeutet weniger Verbrauch. Hinzu kommen noch die Aspekte Gewicht, CW-Wert (Luftwiderstand), die Antriebsart (Front, Heck oder Allrad) und die Getriebeübersetzung. Sie spielen ebenfalls eine wichtige Rolle beim Fahrverhalten und in puncto Verbrauch. Ist ein Fahrzeug sehr schwer und hat es viel Leistung, so wird es mehr Kraftstoff verbrauchen als ein von den PS her gleichstarkes Fahrzeug, das viel weniger wiegt. Wird ein Fahrzeug mit wenig Leistung und wenig Hubraum stark belastet, so muss die kleine Maschine höher drehen als ein größerer Motor mit mehr Hubraum und mehr Leistung. Man geht daher auch davon aus, dass größere Maschinen länger halten.

Wer legt die Schadstoff-Grenzwerte fest?

Nach Angaben des Umweltbundesamtes existiert in den Staaten der Europäischen Union ein einheitliches Recht zur Beurteilung der Kontrolle der Luftqualität. Die Grundlage dafür bildet die EU-Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa – die sogenannte Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG. Die Strategie zur Bekämpfung der Luftverschmutzung wird von der Europäischen Kommission als Clean Air for Europe (CAFE) – Saubere Luft für Europa bezeichnet. CAFE ist eine von sieben vorgesehenen thematischen Strategien des sogenannten sechsten Umweltaktionsprogramms. Ziel von CAFE­ ist es, bis zum Jahr 2020 die Luftverschmutzung so weit zu vermindern, „dass von ihr keine inakzeptablen Auswirkungen für Mensch und Umwelt mehr ausgehen“, heißt es. Bis wann allerdings Folgen des Schadstoffausstoßes als akzeptabel gelten, dazu werden keine näheren Angaben gemacht. Mit der Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa, die am 11. Juni 2008 in Kraft getreten ist, ist ein Teil dieser Strategie umgesetzt worden. Die Richtlinie 2008/50/EG bestätigt die geltenden Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Feinstaub (PM10), Schwefeldioxid, Benzol, Kohlenmonoxid und Blei und legt darüber hinaus zusätzliche Luftqualitätsstandards für die noch kleineren PM2,5-Feinstaubpartikel fest.

Wo liegen die Grenzwerte für Schadstoffe?

Für Feinstaub mit einer Partikelgröße von 2,5 Mikrometer (PM2.5) gelten aktuell EU-Grenzwerte von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter (Jahresmittelwert). Die Weltgesundheitsorganisation WHO, die in regelmäßigen Abständen Empfehlungen herausgibt, hält dagegen einen Wert von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter (Jahresmittelwert) für angemessen. Dabei handelt es sich jedoch – im Gegensatz zu den EU-Grenzwerten – nur um Empfehlungen. Bei Feinstaub mit einer Partikelgröße von zehn Mi­krometern (PM10) gilt laut EU ein Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (Jahresmittelwert). Der Tagesmittelwert liegt bei 50 Mikrogramm je Kubikmeter. Die WHO empfiehlt bei PM10 dagegen einen Jahresmittelwert von 20 Mikrogramm je Kubikmeter. Der empfohlene Tagesmittelwert ist aber identisch. Bei Stickoxiden hat sich die EU den Empfehlungen der WHO angepasst. Hier schreibt die EU einen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter vor. Das Ein-Stunden-Maximum liegt bei 200 Mikrogramm je Kubikmeter. Zum Vergleich: In deutschen Büros schreiben hiesige Gesundheitsbehörden bei Stickoxiden 60 Mikrogramm als Grenzwert vor. Für Beschäftigte mit einer 40-Stunden-Woche im Handwerk und in der Industrie sind es 950 Mi­krogramm.

Wie werden die Schadstoffe gemessen?

In Deutschland werden die Stickoxid-Messstationen an stark befahrenen Straßen aufgestellt. Die EU-Richtlinie schreibt vor, dass Messstationen straßennah aufgestellt werden sollen. Allerdings lässt die EU Ermessensspielraum. Die Messstationen sind teils heftig umstritten. Unter anderem gibt es Diskussionen darüber, ob die Werte konform und überhaupt vor Gericht verwertbar sind. Auch in Oldenburg sorgt das Thema seit Wochen für viel Gesprächsstoff. Hier geht es unter anderem um die richtige Höhe des Messrüssels und um fragwürdige Werte.

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Gibt es nur in Deutschland Fahrverbote?

Umweltzonen und Fahrverbote gibt es nicht nur in Deutschland. Nach Angaben des ADAC gibt es auch in anderen europäischen Innenstädten bereits Zufahrtsbeschränkungen, eine City-Maut oder Umweltzonen. Dazu zählen Gebiete in Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Malta, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien und Tschechien.

Was tut sich gerade bei den Abgasnormen?

Seit September 2018 müssen alle Neufahrzeuge die Emissionsklasse 6c, ab September 2019 die Euro 6d-Temp-Evap und ab Januar 2021 die Abgasnorm Euro 6d erfüllen. Die neue Schadstoffklasse Euro 6c gilt für den sogenannten WLTP-Zyklus, die neuen Euronormen 6d und 6d-Temp für den RDE-Zyklus. Die Testzyklen sind realitätsnäher, die Fahrzeuge werden bei der 6d-Variante nicht mehr nur auf dem Rollenprüfstand getestet, sondern unter Realbedingungen auf der Straße. Die Prüfstandgrenzwerte sind mit denen der Abgasnorm Euro 6 identisch, doch die Messmethode ist erheblich strenger. Zurzeit wird darüber diskutiert, ob und inwiefern ältere Diesel-Fahrzeuge mithilfe eines sogenannten SCR-Katalysators nachgerüstet werden können, um Fahrverbote zu umgehen.

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