Jugendliche streben auch in Zeiten der Digitalisierung immer noch traditionelle Berufe an. Das geht aus einer OECD-Studie hervor. Wo liegen die Ursachen dafür?

HurrelmannDer Übergang von der Schule in den Beruf ist für Jugendliche schwierig. Das bestätigt diese Studie auch auf internationaler Ebene. Nach der Schule hat man eine riesige Palette an Berufen zur Auswahl. Das sind bei uns um die 350 Ausbildungsberufe und nach den aktuellen Rechnungen 12 000 Bachelor-Studiengänge. Die Jugendlichen und auch die Eltern, die bei der Berufswahl eine große Rolle spielen, sind damit überfordert. Sie greifen dann auf traditionelle Berufe zurück, die man immer schon kannte.

Wie lässt sich das Interesse der Jugendlichen für die Zukunftsberufe etwa im digitalen Bereich wecken?

HurrelmannSchon während der Schulzeit brauchen Jugendliche die Möglichkeit, sich in diesen Berufen umzusehen. Das Berufspraktikum, das inzwischen alle Schulen in der 9. Klasse anbieten, ist eine sehr gute Erfindung. Es sollte ausgebaut werden. Auch auf die Unternehmen kommt eine große Rolle zu. Sie müssen die Initiative ergreifen und in die Schulen gehen. Alle Studien zeigen: Die Jugendlichen möchten Erfahrungen machen, wie das Arbeitsleben heute aussieht. Die Berufswelt ist soweit von der Schule weg, dass auch die Lehrkräfte davon keine so rechte Vorstellung haben. Schüler und Lehrer müssen in die Unternehmen.

Müssten auch neue Fächer in den Schulen geschaffen werden und sich an der Ausstattung der Schulen etwas verändern?

HurrelmannBei vielen Schulen nimmt digitaler Unterricht nur einen kleinen Stellenwert ein. Es sind wohl nur 40 Prozent der Schulen, die einen WLAN-Anschluss haben. Das deutet daraufhin, dass die Schulen keinen Anschluss an die moderne Berufswelt haben. In vielen Schulen wird das Smartphone verboten. Die Jugendlichen lernen nicht, wie man es einsetzen kann und welche Gefahren damit verbunden sind. Ein Medienkunde-Unterricht wäre für die Schulen wichtig. Auch Schülerfirmen sind denkbar, bei denen Jugendliche mit Unternehmen aus der Region Angebote für den nächsten Kindergarten oder das nächste Altersheim erstellen. Die Distanz zwischen den Schulen und der Arbeit muss aufgehoben werden.