Leer/Aurich - Der 27-jähriger Leeraner, der Männer im Internet erst mit Nacktfotos und dann mit Androhung von Gewalt um Geld erpresst hat, muss lange ins Gefängnis: Das Landgericht Aurich verurteilte ihn wegen Erpressung, versuchter räuberischer Erpressung und Betrugs zu einer Gesamtstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten. Die Kammer blieb damit nur knapp hinter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger hielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten für ausreichend. Auch mit seinem Antrag, den Haftbefehl aufzuheben, hatte er keinen Erfolg. Der Angeklagte muss zudem 105 000 Euro an ein Opfer aus Österreich sowie Schmerzensgeld zahlen. Die Höhe des Schmerzensgeldes muss ein Zivilgericht festlegen.
Ein Geschäftsmodell
„Der Angeklagte hat sich ein Geschäftsmodell aufgebaut, um sich eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen“, betonte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Das Geschäftsmodell bestand darin, dass der Angeklagte als vermeintliche Frau getarnt Kontakt zu Männern im Internet suchte. Vier Männer gingen auf das Angebot ein, von „Viktoria“ Nacktbild gegen Bezahlung zu erhalten. Nachdem in Chats Vertrauen aufgebaut war, wurden die Männer aufgefordert, auch von sich intime Fotos zu übersenden.
Gewalt angedroht
Damit begann die erste Stufe der Erpressung. Die Männer sollten zahlen, wenn sie eine Veröffentlichung der Bilder im Internet verhindern wollten. Doch damit war es nicht getan. Der Angeklagte trat dann auch als Bekannter von „Viktoria“ in Erscheinung, forderte Geld für Miete und Lebensmittel oder einen Anwalt. Fügten sich die Männer nicht, wurden die Daumenschrauben weiter angezogen. Da war von Hells Angels die Rede, die bei den Männern vorbeikommen würden.
Besonders schlimm und nachhaltig hatte ein Österreicher unter den Erpressungen zu leiden. Er wurde monatelang vom Angeklagten kontaktiert, der schließlich sogar damit drohte, den Familienmitgliedern des jungen Mannes etwas anzutun und ihm selbst den Hals aufzuschlitzen. Der heute 20-Jährige überließ dem Angeklagten nicht nur sein vom Großvater überlassenes Vermögen von mehr als 100 000 Euro, sondern versuchte aus Verzweiflung, sich mehrfach das Leben zu nehmen.
Der Anwalt des Österreichers wollte den Angeklagten deshalb auch wegen versuchten Mordes verurteilt sehen. Doch Richter Bastian Witte machte klar, dass dafür die Voraussetzungen fehlten. Der Angeklagte habe von den psychischen Leiden des Mannes noch nichts gewusst, als sich der Nebenkläger in einen reißenden Fluss stürzte.
Allerdings war der Lebenswille des 20-Jährigen stärker als die Todessehnsucht. Er konnte sich aus dem Fluss retten. Ein anderer Suizidversuch schlug eher durch einen Zufall fehl.
Skrupelloses Vorgehen
Der Anwalt des Nebenklägers bezeichnete den Angeklagten als „Soziopathen“. Auch die Staatsanwältin hob die Skrupellosigkeit des Angeklagten hervor. Eine Entschuldigung hatte er gegenüber seinen Opfern nicht über die Lippen gebracht. Die Taten hatte er zwar gestanden, sich aber nicht näher dazu geäußert. Sehr lang und breit berichtete er stattdessen über seine Spielsucht, in die das erpresste Geld floss.
Eine verminderte Schulfähigkeit wegen der Spielsucht kam aber nicht in Betracht. „Die Taten sprechen dagegen“, sagte der Vorsitzende. „Es waren sehr lange Chats. Der Angeklagte ist sehr konzentriert vorgegangen, hat verschiedene Mobiltelefone als Viktoria, Malik und Khaled benutzt und sie nie verwechselt. Das war alles sehr koordiniert.“ Außerdem stand der Leeraner im Tatzeitraum unter laufender Bewährung und hatte in dieser Zeit sogar ein anderes Gerichtsverfahren vor der Brust. Nun muss er sich auf den langen Gefängnisaufenthalt einstellen.