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Fachwerkbauten Prächtig verzierte Knaggen und Konsolen

Alexandra Lüders

Artland - Laut Professor Manfred Gerner von der „Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte“ wurde zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert in Deutschland fast ausschließlich in Fachwerkbauweise gebaut. Davon sind heute noch 2,5 Millionen Bauten erhalten und stellen damit 15 Prozent aller existierenden Gebäude dar. Eine beachtliche Zahl trotz des altersbedingten Verfalls und der Zerstörungen durch zwei Weltkriege. Bundesweit beeindrucken Fachwerkkonstruktionen durch ihre Vielfalt und regionale Prägung.

Auch im Weser-Ems-Gebiet – vor allem im Artland und im Oldenburger Münsterland – existieren noch zahlreiche Fachwerkgebäude in den Orten und in den Bauerschaften, die mit Hilfe der Denkmalpflege aufs Feinste restauriert und neuen Nutzungen zugeführt wurden und immer noch werden.

Aktuell gibt es drei historische Häuser aus dem 15./16. Jahrhundert in der Quakenbrücker Innenstadt, deren vorbildliche Sanierung Beachtung von Experten fand, weil sie derzeit die ältesten Gebäude Niedersachsens sind. Im November 2020 erzielte Michael Abeln für die ausgezeichnete Restaurierung seines Fachwerkhauses an der Langen Straße 40‚ „Anno 1510“, den deutschen Fachwerkpreis, der nur alle fünf Jahre vergeben wird.

Schmucke Hingucker

Nach fast vierjähriger Sanierungs- und Umbauphase folgt in diesem Jahr die Eröffnung des Bonnus-Geburtshauses an der Goldstraße 9, das ebenfalls aus dieser Epoche stammt. Das dritte im Fachwerkstil der damaligen Zeit gebaute und derzeit noch in Sanierung befindliche Ackerbürgerhaus ist das Gebäude Willenborg an der Kuhstraße 17, dessen ursprünglicher Kern von 1461 stammt und das Ende 2022 bezugsfertig werden soll.

Doch nicht nur diese drei schmucken Hingucker sind echte Vorzeigemodelle in unserer Region, weil sie von spezialisierten Handwerkern authentisch restauriert wurden. Wie der Heimatkundler Heinrich Böning informierte, verschönern 130 Fachwerkhäuser das Quakenbrücker Stadtbild. Er unterstrich jedoch, dass es sich in der Mehrzahl um Bauten aus der Barockzeit (17./18. Jahrhundert) handelt.

Wer schon auf der „Giebeltour“ unterwegs war, hat sicher auch die prächtigsten der 2000 Fachwerkhöfe unserer Kulturlandschaft gesehen. ­Immerhin standen sie vor ­Jahren auf der Vorschlagliste des „Weltkulturerbes“. Als „Perle des Artlandes“ wird die berühmte Wehlburg (1750) ­betitelt. Sie war einst in einen Bauwettstreit verwickelt und gilt bis heute als „schönstes Bauernhaus Deutschlands“.

Der Hof wurde 1970 an die Stiftung Museumsdorf Cloppenburg (1970) verkauft, in Badbergen abgebaut und ab 1971 im Freilichtmuseum ­wieder errichtet. Laut Böning hat das Haupthaus eine Länge von 36 und eine Breite von 14 Metern. 5000 handgeschnitzte Holznägel halten es zusammen und sechs Kilometer Dachlatten tragen das Reetdach, das aus 2500 Bund Reet gebildet wurde.

Enorme Leistung

Der holzreiche Giebel sei liegend auf dem Boden entstanden und hätte nach Fertigstellung mit ungeheurem Kraftaufwand von Mensch und Tier in die Senkrechte gebracht werden müssen, weiß Böning. Der Fachwerkgiebel mit 275 Gefachen kragte vierfach vor und hatte mehr als 50 reich geschnitzte Knaggen. In seiner 1979 erstellten Schrift „Alte Bauernhäuser zwischen Weser und Ems“ beschreibt Professor Helmut Ottenjann (ehemaliger Direktor des ­Museumsdorfes) außer der Wehlburg auch noch andere niederdeutsche Hallenhäuser aus der Sicht eines Volks­kundlers. Er analysiert die Konstruktion eines Zwei- und Vierständerbaus und bringt die Architektur der Bauernhäuser in Verbindung mit der menschlichen Lebens- und Arbeitsweise.

Bis heute profitieren Besucher des Freilichtmuseums von Ottenjanns wissenschaftlicher Arbeit. Er hat unter anderem das Ursprungsgebiet des neueren Hallenhauses im Oberweserraum rund um Paderborn erforscht. Von hier aus haben sich die niederdeutschen Hallenhäuser in Richtung Osnabrücker Land, Emsland, Oldenburger Münsterland und Münsterland ausgebreitet.

Einmalige Dichte

Der besonders an ­Tagen des offenen Denkmals gern verwendete Begriff ­„Kulturschatz Artland“ zeigt die hohe ­Bedeutung der Fachwerkarchitektur für die Region. Seit 1993 öffnen viele Baudenkmale im Artland Tore und Türen, um ihren Kulturschatz der Öffentlichkeit zu zeigen. Denn mit 6000 Fachwerkbauten auf rund 200 Quadratkilometern verfügt das Artland über eine europaweit einmalige Dichte an sehenswerter ländlicher Baukultur, die seit vielen ­Jahren auch touristisch genutzt wird.

Immer wieder werden die repräsentativen Schaugiebel dieser Bauernhofarchitektur bewundert. Denn Knaggen und Konsolen wurden mit prächtigen Schnitzereien wie zum Beispiel Jahreszahlen, Initialen, Muster und Symboliken verziert. Auch Bibelsprüche und die Namen der Bauherren sowie der Bau- und Zimmermeister sind typische Inschriften.

Charakteristisch für das Artland ist das Drachensymbol auf den Inschriftbalken aber auch im Kirchengestühl der St. Sylvesterkirche und auf 400 Truhen aus der Renaissancezeit (1400 bis 1520). Wie Ottenjann darlegt, dienten die reich verzierten Knaggengiebel der Artländer Höfe wie zum Beispiel der Wehlburg, Elting-Bußmeyer und Berner zeitlich später als Vorbild für die vermögende bäuerliche Schicht im angrenzenden Oldenburger Münsterland.

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