Berlin - Wenn Fitim die Gitarre hervorholt, kommt im Haus der SOS-Eltern Fllanza und Derwish Stimmung auf. Seine mit etwas dünner Stimme vorgetragenen Elvis-Presley-Songs sorgen bei den vier „Geschwistern“ im Kinderdorf der albanischen Hauptstadt Tirana für Erheiterung.

Die drei Mädchen und zwei Jungen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren haben sichtlich Spaß. „Es ist wie eine wirkliche Familie“, schwärmt die Jüngste, die elfjährige Ana. „In der Familie, aus der ich herkomme, waren wir sechs Brüder“, sagt Fitim, der 14-jährige Nachwuchs-Elvis. „Hier habe ich jetzt auch Schwestern, und das ist gut so.“

SOS-Kinderdörfer gibt es auf der ganzen Welt. Ursprünglich für Waisen angelegt, beherbergen sie heute vor allem Kinder, deren Eltern nicht für sie sorgen können – wegen bitterer Armut, familiärer Gewalt oder anderer sozialer Notlagen. Ein SOS-Kinderdorf besteht aus kleinen Häusern, in denen je eine SOS-Familie wohnt: eine bestimmte Zahl von Kindern mit ihrer SOS-Mutter oder zunehmend auch mit SOS-Eltern, wenn der Ehemann der Kinderdorf-Mutter einzieht und zum SOS-Vater wird.

Begonnen hat alles vor 70 Jahren in den österreichischen Alpen. Der Zweite Weltkrieg hatte nicht nur Dörfer und Städte arg beschädigt, sondern auch viele Kinder zu Waisen gemacht. Der Medizinstudent Hermann Gmeiner, geprägt von Kriegserlebnissen, fand in dieser düsteren Situation seine Berufung. Mit seinem letzten Geld druckte er Flugblätter, die für seinen am 25. April 1949 gegründeten Verein „Societas Socialis“ – abgekürzt: SOS – werben sollten.

Das Konzept: Statt in Waisenhäusern sollten Kinder in familienähnlichen Gemeinschaften ein neues Zuhause finden. Der Zuspruch der Menschen war überwältigend, die Spenden flossen unter dem Motto „Ein Schilling im Monat“ reichlich. Ins erste SOS-Kinderdorf im österreichischen Imst zogen 1951 40 Kinder mit ihren Kinderdorf-Müttern ein.

Heute umfasst die Landkarte der Organisation SOS-Kinderdörfer nicht weniger als 135 Länder: In Uganda werden viele Waisenkinder betreut, die durch die Immunschwächekrankheit Aids ihre Eltern verloren haben. Im armen Georgien erfahren viele Familien Hilfe. In Syrien kümmert sich die Organisation in drei Kinderdörfern um die vom Krieg Gezeichneten und bemüht sich auch um eine Familienzusammenführung. Aktuell profitieren laut Organisation rund 1,5 Millionen Menschen weltweit von den Programmen.

Albanien ist eines der ärmsten Länder Europas. Das SOS-Kinderdorf in der Vorstadt Sauk im Südosten von Tirana lebt von der Unterstützung der SOS-Organisationen in Deutschland und Österreich sowie von Spenden inländischer Unternehmen. Projekte zur Aus- und Weiterbildung fördert das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). In 13 Häusern leben derzeit 63 Kinder, sagt Mimoza Manaj, die Projektleiterin.