Zetel - Eine geklinkerte Doppelhaushälfte in Zetel im Friesland. Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel, Vögel zwitschern um die Wette. Aufgeregt sitzen Sina und Adoptiv-Bruder Jannis Teich auf einem gemütlichen Sofa am Küchentisch. Familienhund Wilma springt immer wieder auf und stupst unter dem Tisch ihre Beine. Im Ofen backt ein Mandarinenkuchen. Es duftet vielversprechend.

„Hinlegen“, sagt Angela Teich in Richtung der neunjährigen Labrador-Münsterländer-Hündin. Beruhigend lächelt sie ihre Kinder an. Die beiden sind mit dem Down-Syndrom geboren worden und nehmen am 27. April am 17. Deutschen Down Sportlerfestival in Frankfurt-Kalbach teil. Ein absoluter Höhepunkt. Und Grund für jede Menge Aufregung.

Wie sind sie auf das Festival gekommen? „Jannis hat seit vier Jahren eine Freundin, die dort schon dreimal war und uns davon erzählt hat“, sagt Angela Teich. Bereits im vergangenen Jahr war sie mit ihren Kindern bei dem Sportfestival, zu dem laut Veranstalter in diesem Jahr insgesamt über 3500 Besucher aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich erwartet werden. „Das war trotz der Hektik wirklich schön“, erzählt die alleinerziehende Mutter. Vor Ort würden die Kinder mithilfe großer verschiedenfarbiger Luftballontrauben zu den einzelnen Stationen geleitet werden. „So können sie sich selbstständig bewegen“, sagt Angela Teich.

Viele verschiede Workshops

„Ich bin ,Orange’“, sagt Sina Teich und lacht. „Ich freue mich schon darauf“, sagt sie aufgeweckt. „Es macht Spaß und gibt gutes Essen – und ich model gerne.“ Die 24-jährige schaut ihre Mutter an, lacht wieder. Neben den Disziplinen Weitwurf, 100-Meter-Lauf und Weitsprung werden noch andere Workshops angeboten: beispielsweise Fußball, Singen oder Basketball – und eben eine Modenschau.

„Ich gehe extra zum Friseur, damit ich schick bin für Peyman“, sagt Sina Teich. Neben Springen, Werfen und Laufen hat sie sich für den beliebten Workshop mit dem ehemaligen Juror der Castingshow „Germany’s Next Topmodel“, Peyman Amin. Auch ihr Outfit steht: ein rotes Kleid und „Klacker-Schuhe“.

Seit drei Jahren wohnt die Zetelerin in einem Zimmer im Wohnheim, arbeitet in einer Werkstatt – „im Holzbereich“. Manchmal springt sie auch in der Küche ein, schrubbt dort den Boden. Ihr großes Ziel: „In eine Wohngemeinschaft ziehen.“ Doch manchmal habe sie davor auch Angst: „Es ist so schwierig mit dem Geld – ich mag nicht, dass mich jemand betrügt“, sagt sie. Deswegen übe sie im Wohnheim oft, richtig Geld zu zählen oder Preise zu schätzen. Und ihr Ziel beim Sportfestival? „Ich möchte immer Erste sein und bei Peyman toll sein.“

„Mein Bruder ist stark“

Auch sonst dreht sich bei der 24-Jährigen alles um Bewegung und Unternehmungen: Radfahren, Tanzkurse besuchen oder einmal wöchentliches Schwimmen. Und auch ihr Bruder ist gern aktiv, spielt von der Lebenshilfe aus Fußball, geht zum Schwimmen und fährt ebenfalls gerne Rad. Und: „Ich mag Judo“, sagt der 17-Jährige, der noch stärker werden möchte, und seine Schwester schaut ihren Bruder, der gebürtig aus Griechenland stammt, bewundernd von der Seite an: „Mein Bruder ist stark“, sagt sie leise.

Doch um an seinem Wunsch-Workshop Judo teilnehmen zu können, musste Jannis zunächst eine Hürde überwinden. Um eine Halswirbelsäulen-Instabilität auszuschließen, musste er zunächst von einem Arzt untersucht werden. Jannis lächelt glücklich. Er darf an dem Judo-Kurs teilnehmen.

Der Zeteler ist der ruhigere der beiden Geschwister. „Aber auch der emotionalere – da kommen die griechischen Wurzeln durch“, sagt Angela Teich lachend. Der 17-Jährige wohnt noch zu Hause, ist viel mit seiner Freundin zusammen. Eis essen, Radtouren, Fahrten nach Wilhelmshaven oder Spaziergänge mit Hündin Wilma mag er am liebsten, erzählt er schüchtern und mit leiser Stimme, schaut nach Bestätigung suchend seine Mutter an, die ihn anlächelt.

Sport ist ihre Leidenschaft

„Wir hatten damals schon Sina und wollten ein Pflegekind haben“, erzählt die 48-Jährige. In einem Forum hörten sie von Jannis, über die zentrale Adoptionsstelle in Hamburg wurde alles weitere geregelt. „Die Eltern wollten uns vor der Adoption kennen lernen“, sagt Angela Teich. „Also sind wir nach München gefahren mit zwei möglichen Namen.“ Als sie den Namen Jannis gesagt hätten, habe seine leibliche Mutter zu weinen begonnen. „Sein Großvater hatte den gleichen Namen – das war wie vorherbestimmt“, sagt die Zetelerin und nimmt den Kuchen aus dem Ofen.

Sina und Jannis sitzen noch immer am Küchentisch. Sie warten auf ein Stück Mandarinenkuchen und freuen sich auf das Festival. Sport ist ihre Leidenschaft – und spätestens nach dem ersten Wettbewerb wird selbst die größte Aufregung verfliegen.