Brake/Vegesack - Unmengen an dünnen Kupferdrähten von Leitungen, deren Plastikummantelung unter der Hitze geschmolzen war, hingen von den Decken herunter und behinderten die Feuerwehrleute, die Gang für Gang und Deck für Deck den Schiffsbrand auf der Lürssen-Werft bekämpften. „Die Sicht war gleich null“, erzählt Renke Speckels (26), der als einer der ersten Braker Feuerwehrleute ins Innere der brennenden Yacht vordrang. Die enorme Hitze setzte den Kameraden zu, die sich in dem Inferno vorarbeiteten.
Von Eis auf Heiß: Renke Speckels, seit 16 Jahren bei der Feuerwehr, war bei der Eisdiele in der Fußgängerzone, als ihn die Alarmierung am Freitag letzter Woche erreichte. Es war 16.27 Uhr, am Samstagmorgen um 7 Uhr war er wieder zuhause. Dazwischen lag ein Einsatz, den die Feuerwehrleute nicht vergessen werden.
Das Flammeninferno wartete erst im Innern
Die für die Schiffsbrandbekämpfung ausgebildeten Feuerwehrleute aus Golzwarden und Brake trafen sich auf der Wache an der Heinestraße und fuhren gemeinsam los nach Vegesack. „Als wir das äußerlich unversehrte Schwimmdock sahen, haben wir noch geflachst“, erinnert sich Jörn Schwarzer (42), seit 32 Jahren bei der Feuerwehr. Beim Anblick des Infernos, das sich ihnen dann aber bot, stockte ihnen der Atem. „Damit hatten wir nicht gerechnet“, merkt Dennis Espenhahn (31) an.
Ein etwa 20 Kilogramm schweres Geschirr mit zwei Flaschen Atemluft und der Atemschutzmaske wurden geschultert, jeder Feuerwehrmann hatte für knapp eine Stunde Luft. Erschwert wurde der Einsatz durch ein siebenstöckiges Gerüst an der Seite der Yacht, das sie erklimmen mussten, um an Deck zu gelangen. Das Problem dabei: Einige Bohlen aus Aluminium waren durch die enorme Hitze geschmolzen, so dass die Braker laut Jörn Schwarzer noch zu Gerüstbauern werden mussten. An Deck dann ein apokalyptisches Bild: Kochendes Löschwasser tropfte herab, Wasserdampf vernebelte die Sicht, zwei Etagen des Schiffes waren schon komplett geschmolzen, flüssiges Aluminium war in den Maschinenraum gedrungen und hatte dort ebenfalls Feuer entfacht.
Temperaturen von bis zu 1000 Grad
„Alles, was ihr seht, ist nicht rot angemalt, sondern heiß“, hatte ein Kamerad von einer Berufsfeuerwehr gesagt. Und so erlebten es die Braker auch, die sich im Inneren nach dem Licht ihrer Taschenlampen und dem Feuerschein orientierten. Mit Wärmebildkameras wurden extreme Gefahrenstellen und Glutnester sichtbar, Temperaturen von teilweise bis zu 1000 Grad wurden angezeigt. „Die Hitze war enorm“, sagt Dennis Espenhahn, der seit 17 Jahren in der Feuerwehr ist. Seine Kameraden pflichten ihm bei.
An den Tagen des Brandens, von Freitag, 14. September, bis Sonntag, 16. September, sind insgesamt 30 Braker und 32 Nordenhamer Feuerwehrleute bei Lürssen im Einsatz. Es sind ehrenamtliche Kräfte, die mit den Berufsfeuerwehren Hand in Hand arbeiteten. Die hervorragende Ausbildung und das Wiederholen der Einsätze zur Schiffsbrandbekämpfung im Wilhelmshavener Simulator zahlten sich aus.
Und nicht nur ein Gerüst wurde repariert: Um das Feuer im Maschinenraum zu löschen, arbeitete sich ein Braker Trupp vor. Eine Platte wurde vors Schott gebaut, damit der Raum ausgeschäumt werden konnte. Das alles passierte unter extremen Bedingungen.
Braker rettet Kameraden das Leben
Alles war gut organisiert. Zehn Spezialgeräte mit Atemluft standen für die Kameraden bereit. Die Geräte wurden natürlich vor jedem Einsatz kontrolliert. Wenn beim Einsatz der Druck in den Flaschen abfällt, schlägt ein Gerät Alarm, der Träger weiß dann, dass er den Rückweg anzutreten hat. Und selbstverständlich funken die Feuerwehrleute ihre Position an die Einsatzleitung. Einem Kameraden einer anderen Wehr wäre sein Einsatz aber fast zum Verhängnis geworden, der das Warnsignal seines Atemschutzgerätes überhörte. Ein Braker, der in der Nähe war, stöpselte ihn an sein Atemgerät an und führte ihn nach draußen.
Der Schiffsbrandbekämpfungseinheit gehört auch Thomas Meinen an. Der 43-Jährige ist seit 35 Jahren bei der Feuerwehr aktiv und hat solch einen Einsatz auch noch nie erlebt. Die eigenen Grenzen nicht zu überschreiten, sei eine Frage der Ausbildung, merkt er an. Angst habe niemand verspürt. Respekt sei es, den man empfinde, sagen auch Renke Speckels, Jörn Schwarzer und Dennis Espenhahn stellvertretend für alle.