Oldenburg - Die Freude an der Arbeit steht Julian Menzel ins Gesicht geschrieben. Mit einem Strahlen empfängt er an der Rezeption der Jugendherberge Oldenburg in der Straßburger Straße die Gäste, so dass diese sich gleich willkommen fühlen. „Das ist der perfekte Job für mich“, sagt der 25-Jährige, der an einer fortschreitenden Muskelerkrankung leidet und in einem Rollstuhl sitzt. Die Gäste haben durch den freundlichen Empfang gleich das Gefühl: Hier bin ich willkommen, und so geht es auch den Mitarbeitern. Die Hälfte der mehr als 40 Beschäftigten hat eine Einschränkung, die Jugendherberge ist Inklusionsbetrieb (siehe Infokasten).

Zur „Woche der Menschen mit Behinderungen“ (2. bis 6. Dezember) hatte die Bundesagentur für Arbeit Oldenburg Wilhelmshaven am Dienstag in die neu eröffnete Jugendherberge eingeladen, um das Haus als Vorreiter in Sachen Inklusion vorzustellen. Unter den Beschäftigten sind Menschen mit psychischen, geistigen und körperlichen Einschränkungen, zum Beispiel mit schweren Depressionen, Autismus, Gehörlosigkeit und überstandenen Krebs-Erkrankungen. Nach den Häusern in Leer und Aurich ist Oldenburg die dritte inklusive Jugendherberge im Landesverband Unterweser-Ems.

So ist die Lage – Hier gibt es Informationen

Inklusiver Betrieb bedeutet: Alle Mitarbeiter, ob mit oder ohne Behinderung, arbeiten zu Bedingungen des ersten Arbeitsmarktes. Sie bekommen bei gleicher Tätigkeit das gleiche Gehalt.

Das Integrationsamt erstattet dem Arbeitgeber für Beschäftigte mit Behinderung einen Teil des Gehalts. Je nach Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter und nach ihrem Stundenvolumen („Minderleistung“) erhält der Arbeitgeber darüber hinaus einen Zuschuss, um damit zusätzliche Mitarbeiter zu bezahlen. Dadurch ist der Personalschlüssel in dem Betrieb höher.

Menschen mit Behinderungen sind häufiger und länger arbeitslos als nicht-behinderte Arbeitnehmer. In der Statistik der Agentur für Arbeit Oldenburg-Wilhelmshaven werden für November 1571 Frauen und Männer mit einer Schwerbehinderung geführt. Ihre Zahl liegt um 67 (4,5 Prozent) höher als im Vorjahr.

Der gemeinsame Arbeitgeber-Service von Arbeitsagentur und Jobcenter hat Spezialisten, die Stellen für Menschen mit Beeinträchtigungen einwerben. Arbeitgeber können sich bei Fragen rund um Inklusion unter der kostenlosen Rufnummer 0800/45 555 20 beraten lassen.

Markus Acquistapace, Hausleiter in der Oldenburger Herberge, berichtet, dass schon in der Bewerbungsphase darauf geachtet wurde, bevorzugt Menschen mit Beeinträchtigungen eine Chance zu geben. „Wir haben mehr als hundert Vorstellungsgespräche geführt. Danach hatten wir einen guten Eindruck, wer welche Aufgaben übernehmen kann.“ Das Besondere an dem Konzept: Wenn jemand in einem Bereich nicht zurechtkommt, kann er wechseln. Eine Frau mit psychischen Problemen fühlte sich beispielsweise im Frühstücksservice überfordert, zu viel Zeitdruck, zu viel Kontakt mit Menschen. „Wir wollten sie als Mitarbeiterin nicht verlieren und haben ihr angeboten, ins Housekeeping, also in die Zimmer-Reinigung, zu wechseln“, sagt Acquistapace. „Wenn sie sich sicher fühlt, könnte sie den ursprünglichen Arbeitsbereich erneut ausprobieren. Wir wollen unseren Beschäftigten die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln und ihre Grenzen zu erweitern.“

Dr. Thorsten Müller, Leiter der Agentur für Arbeit Oldenburg-Wilhelmshaven betont: „Genau wie in jedem Betrieb kommt es auch hier darauf an, jeden Mitarbeiter nach seinen Talenten und Stärken am richtigen Platz einzusetzen. Wenn Menschen merken, dass sie etwas schaffen können, setzt das Kräfte frei.“

Acquistapace stellt klar: Oft gibt es kaum Unterschiede zwischen Beschäftigten mit und ohne Beeinträchtigung. Und wenn es Unterschiede beispielsweise in der Arbeitsgeschwindigkeit geben sollte, könne über eine Förderung durch das Integrationsamt zusätzliches Personal eingestellt werden.

Die Arbeitsmarkt- und Inklusionsexperten sind sich einig: Die Unternehmensführung muss Inklusion wollen, damit sie erfolgreich ist. Viele Betriebe hätten aber immer noch Vorbehalte, weil sie nicht wüssten, was auf sie zukommt. Hartnäckig halte sich auch die statistisch widerlegte Vorstellung, dass Menschen mit Behinderung häufiger krankheitsbedingt ausfallen. Mit dem positiven Beispiel der Jugendherberge will die Arbeitsagentur deutlich machen, welche Potenziale Menschen mit Behinderungen bieten. Der freudestrahlende Empfang von Julian Menzel lässt da keinen Zweifel.

Dr. Irmela Herold
Dr. Irmela Herold Online-Redaktion