Wildeshausen - Eine Idee aus dem Oldenburger Land soll die Polizeiarbeit in Niedersachsen revolutionieren: In Wildeshausen wird derzeit eine Smartphone-App getestet, die demnächst im ganzen Bundesland und später vielleicht auch in ganz Deutschland den antiquierten Strafzettelblock ersetzen könnte.
Die ersten Erfahrungen mit der neuen Technik seien durchweg positiv, bestätigen alle Beamten, die bis jetzt mit einem der vier Testgeräte in der Kreisstadt unterwegs waren. Und auch in der Bußgeldstelle des Landkreises sind die Verantwortlichen zufrieden. Etwa 300 Anzeigen seien in den ersten beiden Monaten mit der neuen App erfasst worden, ohne dass es nennenswerte Probleme gegeben hätte, sagt der Leiter des Straßenverkehrsamtes, Siegfried Bluhm.
Große Zeitersparnis
Für die Polizeibeamten vor Ort bedeutet die App in erster Linie Zeitersparnis. Ähnlich wie ein Navigationsgerät im Auto bietet das Programm dem Nutzer schon nach wenigen Eingaben eine Auswahl von möglichen Verstößen an – das umständliche Blättern im Bußgeldkatalog, der heute noch zur Grundausstattung eines jedes Polizisten gehört, entfällt komplett. Auch Fehler beim Notieren von Kennzeichen sind Geschichte: Mit der Smartphone-Kamera wird das Nummernschild ganz einfach eingescannt und der Verstoß gleich noch im Bild festgehalten.
Dabei sei die Bedienung des Programms kinderleicht: „Die App ist übersichtlich, selbsterklärend und in zehn Minuten zu verstehen“, lobt Kommissarin Michaela Siebald die neue Technik. Damit bestätigt die Beamtin den Eindruck ihres Vorgesetzten, Polizeihauptkommissar Frank Gravel, dass gerade die jungen Kollegen „total heiß“ auf die Arbeit mit dem Smartphone sind und dem altmodischen Notizblock keine Träne hinterherweinen.
Auch auf der Seite der Bußgeldstelle, wo alles oberhalb der Verwarnung derzeit noch von Hand bearbeitet werden muss, spart die App viel Arbeit. Das oft mühselige Entziffern von während der Fahrt auf dem Beifahrersitz geschriebenen Knöllchen hat dort bisher viel Aufwand verursacht und zuweilen auch zu Rückfragen geführt. Das ist nun vorbei.
Software aus Oldenburg
Grundsätzlich basiere die App auf der Software, die Mitarbeiter des Straßenverkehrsamtes heute bereits auf der Straße verwenden, erklärt Bluhm. Bei einem Treffen von Vertretern des Landkreises mit Mitarbeitern der Oldenburger Softwarefirma, von der dieses Programm stammt, sei die Idee geboren worden, das Programm so zu erweitern, dass es auch für die Polizei nutzbar ist.
Der Gedanke stieß auch im niedersächsischen Innenministerium auf Interesse, wo im Rahmen der „Strategie 2020“ gerade an technischen Innovationen für den Polizeialltag gesucht wurde. Etwa ein Jahr, so Bluhm, habe es dann noch einmal gedauert, bis datenschutzrechtliche Bedenken aus dem Weg geräumt waren und es endlich grünes Licht für den Modellversuch gab.
„Unser Ziel ist es nun, alle Kinderkrankheiten auszumerzen und Verbesserungsvorschläge zu machen“, sagt die Leiterin des Polizeikommissariates, Gerke Stüven. So sei allen Beteiligten schnell klar gewesen, dass die Eingabe von Zahlen unbedingt Bestandteil der App werden muss. Denn nur dann kann das Smartphone auch bei Alkohol- und Geschwindigkeitsverstößen oder Überladung eingesetzt werden. Und mittelfristig wäre aus Sicht der Beamten auch eine Videofunktion wünschenswert, mit der zum Beispiel Fahrer mit Handy am Ohr zweifelsfrei überführt werden könnten.
Bis zum Fernziel, dem papierlosen Büro, sei es aber auch danach noch ein langer Weg, räumt Gravel ein. Denn zumindest bei Straftaten und komplizierten Sachverhalten könne der Stift so schnell nicht ersetzt werden.