Berlin - Auch ohne neue Kaufanreize schwindet einer Umfrage zufolge die in der Corona-Krise starke Zurückhaltung der Deutschen, ein neues Auto anzuschaffen. Dennoch geht die Diskussion um die sogenannte Auto-Kaufprämie weiter – kurz vor den für Dienstag geplanten Beratungen über ein neues Konjunkturpaket der Bundesregierung. Markus Söder, Ministerpräsident des Autolandes Bayern, bekräftigte in der „Welt am Sonntag“ seine Forderung nach Kaufanreizen für Neuwagen: „Wir nehmen damit alte Autos vom Markt und ersetzen sie durch saubere Fahrzeuge der neuesten Generation.“ Die Forderung nach einer Kaufprämie als Konjunkturstütze in der Corona-Krise kommt vor allem von den Autobauern und den Autoländern Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern. Umweltverbände lehnen Kaufprämien ab. Besonders umstritten ist, ob Diesel und Benziner gefördert werden sollten. Für Elektro- und Hybrid-Pkw­ gibt es bereits Kaufprämien.

Gefördert werden sollten laut Söder mit der – von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen – vorgeschlagenen „Innovationsprämie“ moderne Autos, die weniger CO 2 produzieren. „Zudem könnten wir die Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität fördern, indem der Staat 50 Prozent der Kosten für private Ladepunkte übernimmt“, sagte Söder.

Kritiker der geforderten Prämie bezweifeln unter anderem die Wirksamkeit. Der Präsident des Maschinenbauverbands VDMA, Carl Martin Welcker, warnte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Kaufprämien für Autos und vergleichbare Einzelsubventionen wirken selektiv, diskriminieren andere Produkte und erzeugen Mitnahmeeffekte.“ Sinnvoller wären andere Maßnahmen, wie eine Förderung von Forschung und Entwicklung sowie steuerliche Entlastungen.

Der Wirtschaftsexperte Frank Riemensperger machte am Sonntag auf negative Folgen für die Digitalisierung aufmerksam. „Im Vergleich zu anderen Ländern sind wir in der digitalen Infrastruktur fünf bis zehn Jahre zurück“, sagte der Deutschland-Chef der Unternehmensberatung Accenture­. Riemensperger sieht die Politik in der Verantwortung: „Das ist eine Frage der Industrie- und der Wirtschaftspolitik. Subventioniert man den Kauf von Autos oder subventioniert man die Digitalisierung von 10 000 Unternehmen in Deutschland?“ Gerade die Autoindustrie liefere ein Beispiel für die Defizite. Die Branche habe es besonders getroffen, weil die Abhängigkeit vom direkten Kundenkontakt groß sei.

Eine Befragung durch die Unternehmensberatung McKinsey zeigt indes, dass das Interesse der Deutschen an einem neuen Auto auch ohne Prämie langsam wieder zunimmt. Demnach verfolgen von 100 Personen, die vor der Covid-19-Pandemie ein neues Auto kaufen wollten, derzeit 79 weiterhin diesen Plan. Anfang April hatten nur 58 Prozent der Kaufinteressenten ihren Plan zum Erwerb eines neuen Autos weiterverfolgt.