Bremen - Mit einer Länge von 426 Metern, einer Breite von 97 Metern und einer Höhe bis zu 33 Metern war der größte freistehende Bunker Deutschlands das größte Rüstungsprojekt der deutschen Kriegsmarine. Bis zu 12 000 Zwangsarbeiter wurden zwischen 1943 und 1945 täglich auf der Baustelle eingesetzt. Mehr als 1600 von ihnen starben während der Bauarbeiten an Unterernährung, Krankheiten und willkürlichen Tötungen.
Interdisziplinäres Projekt
Der U-Boot-Bunker „Valentin“ in Farge im äußersten Bremer Norden ist daher unübersehbares Relikt der nationalsozialistischen Rüstung für den Seekrieg. Der Koloss erinnert mit seiner ganzen Wucht an die Verbrechen der NS-Diktatur." Die Ruine zieht Wissenschaftler magisch an. Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Jacobs-Universität erfasst den Bunker jetzt digital – mit Luft-, Boden- und Unterwasserrobotern. Erste Ergebnisse des Projekts unter Leitung von Andreas Birk, Professor für Elektrotechnik und Informatik, liegen inzwischen vor. Birk ist nach eigenen Angaben historisch interessiert, als Wissenschaftler, der an Robotern forscht, beschäftigen ihn jedoch vor allem technische Fragen. Wie kann man so einen riesigen Komplex mithilfe von Robotern digitalisieren und die Daten mit verschiedenen Erfassungsmethoden zu 3-D-Karten verknüpfen? „Das ist ein spannendes Thema“, sagt Birk.
Mit der Sichtung und Digitalisierung von 216 Bauplänen ist die Historikerin Frederike Buda beschäftigt. Sie ist Teil des Projektteams. Buda führte an der Jacobs-Universität auch einen Workshop mit verschiedenen Wissenschaftlern zur Digitalisierung von Zeugnissen des Nationalsozialismus durch. „Die Verbindung von Informatik und Geschichtswissenschaften ermöglicht ganz neue Formen der Visualisierung und der Vermittlung von historischen Themen.“ Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das dreijährige Vorhaben im Rahmen eines Programms zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes mit rund 600 000 Euro.
Neuer Raum entdeckt
Eine 3-D-Karte vom Außenbereich ist mit Flugdrohnen inzwischen erstellt worden. Im Inneren – am Boden – kommen Roboter mit Laserscannern zum Einsatz, weil viele Bereiche verschüttet und schwer zugänglich sind. Besonders anspruchsvoll sei die Navigation unter Wasser, sagt Birk. „Wir fahren teils auf Sicht, teils mit Kameras, teils mit Sonar.“ Wie man Räume unter Wasser bei sehr schlechten Sichtbedingungen vermisst, sei eine der zentralen Herausforderungen. „Da ist noch viel Forschungsarbeit notwendig.“
Das Projekt ist zugleich ein Puzzle. Die Daten, die aus der Luft, am Boden und Unterwasser gesammelt werden, müssen zusammengefügt werden. „Wir haben inzwischen festgestellt, dass man sich beim Bau des Bunkers kaum an die Pläne gehalten hat, vielfach wurde improvisiert“, sagt der Wissenschaftler. Unter anderem entdeckten die Forscher etwa einen nicht verzeichneten Kellerraum.
Die erstellten Daten und 3-D-Karten sollen der Geschichtswissenschaft und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Allerdings vorerst nicht als komplettes 3D-Modell, mit dem sich Besucher auf eine Zeitreise begeben und durch den Bunker bewegen könnten. Das soll laut Birk in einem Nachfolgeprojekt verwirklicht werden.