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Gesellschaft Mit Glitzer für eine bunte Kirche

Carina Dobra

Frankfurt/Main - Mit viel Glitzer steht Pfarrer Nulf Schade-James als Dragqueen auf der Bühne. Auch in der Synode kämpft der 64-Jährige für die Rechte Homosexueller in der Kirche.

So richtig wollen die langen, glitzernden Kunst-Wimpern nicht halten auf dem Augenlid des Frankfurter Gemeindepfarrers Nulf Schade-James. Und obwohl die Travestie-Gala im Keller der Friedenskirche im Gallus in knapp einer Stunde losgeht, bleibt er tiefenentspannt.

Zwei Stunden braucht der schwule Geistliche ungefähr, um sich in die Kunstfigur „Greta Gallus“ zu verwandeln: Eine stark geschminkte Dame mit üppigem Busen, grasgrünem Glitzerkleid und bunter Locken-Haarpracht. Denn wenn Schade-James nicht auf der Kanzel predigt, tritt er gelegentlich als Travestie-Künstlerin auf.

Erinnerung an Aufstand

„Als ich klein war, wollte ich genau zwei Sachen werden: Pfarrer und Schauspieler. Ich gehöre auf die Bühne!“, erzählt der Theologe, während er seine Lippen mit dunklem Lipliner nachzieht und ein kleines Döschen mit Glitzer aus seinem rosa Beauty-Koffer fischt: „Ich sag immer: Jeder sollte ein bisschen Glitzer tragen.“ Großzügig tupft er sich das Glitter unter die nachgezogenen Augenbrauen.

Bereits 1983 gründete der Hesse mit einem gleichgesinnten Kollegen das Duo „Sodom und Gomorrha“. Seit dessen Auflösung ist er als „Greta Gallus, Freifrau von Sodom ohne Gomorrha“ unterwegs.

„Eigentlich ist das hier das Büro der Gemeindepädagogin“, erzählt Schade-James, der seit 1989 Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Frieden und Versöhnung ist.

2019 hatte die Frankfurter Gemeinde die Idee zu einer „Gala der Travestie“ – damals als Erinnerung an den 50. Jahrestag des Aufstands gegen den Polizeieinsatz in der New Yorker Szene-Bar „Stonewall Inn“. Er gilt als Beginn der queeren Bewegung.

Treffen Homosexueller

Pfarrer Nulf Schade-James ist bekannt für seinen unermüdlichen Kampf für die Rechte Homosexueller innerhalb der hessen-nassauischen Landeskirche. Im Herbst 2001 trug er mit einer emotionalen Rede vor der Synode dazu bei, dass das Gremium ein Jahr später mit großer Mehrheit die Segnung homosexueller Partnerschaften in der Kirche ermöglichte.

In seiner Gemeinde entschied der damalige Kirchenvorstand schon 1994, dass homosexuelle Paare in der Friedenskirche, etwas später auch in der damaligen Versöhnungskirche, heiraten durften. Seit 1983 war die Kirche außerdem Treffpunkt für die Gruppe „Homosexuelle und Kirche“.

Die Gemeinde ist stolz auf ihren Pfarrer. „Unsere Gesellschaft ist bunt. Und die Kirche ist auch viel bunter, als viele Leute denken“, betont etwa die Gemeindepädagogin für Kinder und Jugendliche, Fa-Rung Rath. Viele Menschen auch außerhalb des Gallus würden sich ganz bewusst für die Gemeinde in der Frankenallee entscheiden.

Ganz viel Gutes leisten

Die Sache mit der Travestie-Show findet die 34-Jährige großartig: „Ich war früher Make-up-Artist, deswegen ist das meine Welt!“ Und: Die Mädels aus ihrer Jugendgruppe waren auch sofort angetan und helfen heute hinter der Theke aus – natürlich ebenfalls im Glitzer-Outfit.

Im Gemeindekeller erinnert heute Abend nicht viel an Kirche. Von der Decke hängen rote Herzen und eine Discokugel. Auf den Tischen liegen dunkelrote Samt-Deckchen mit Glitzerstaub.

„Es ist immer gut, wenn der Pfarrer die Menschen glücklich macht“, sagt Nulf Schade-James. Besonders nach den Lockdowns freue er sich über lachende Gesichter. Travestie in der Kirche – vermutlich gefällt das nicht jedem. „Persönlich hat sich noch nie jemand bei mir beschwert. Das trauen sich die Leute gar nicht“, ist der Pfarrer überzeugt und betont: „Wie viele schwule Männer und lesbische Frauen sind aus der Kirche ausgetreten, weil sie nicht gewollt waren? Da müssen wir ganz viel dran arbeiten und Gutes leisten.“ Wenig später trällert er als Greta den Schlager-Klassiker „Tulpen aus Amsterdam“ von der Bühne und streut Glitzerpulver in die Menge.

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