Mönchengladbach - Mit gesenktem Blick trat Theodor Gebre Selassie am Sonntag um kurz nach 15.30 Uhr in die Katakomben des Borussia-Parks und dort vor die wartenden Medien-Vertreter. Der Verteidiger von Werder Bremen ahnte nach dem 1:3 (0:2) bei Borussia Mönchengladbach, was – einmal mehr – für Fragen auf ihn warten. Diesmal jedoch kam eine neue hinzu. „Ist Werder im Abstiegskampf angekommen?“, wollte ein Journalist wissen. Gebre Selassie überlegte kurz und sagte dann: „Nein, aber wir müssen das nächste Spiel auf jeden Fall unbedingt gewinnen.“

Auf jeden Fall, unbedingt. Oder: Sofort, unverzüglich. Diese Worte haben vor 30 Jahren für die politische Wende in Deutschland gesorgt, jetzt sollen ähnliche bei Werder einen sportlichen Umschwung einleiten. Denn die Lage bei den Grün-Weißen ist nach nun sieben Spielen ohne Sieg (fünf Unentschieden und zwei Niederlagen) ernster als es die Verantwortlichen kommunizieren.

Nur noch zwei Punkte beträgt der Vorsprung auf Relegations-Platz 16. Der bislang letzte Erfolg war das 2:1 bei Union Berlin am 14. September. Das war vor zwei Monaten, seit Samstag aber ist selbst Aufsteiger Union in der Tabelle vorbeigezogen.

Von der Rückkehr in den eigentlich vergessen geglaubten Kampf gegen den Abstieg aber wollen bei Werder weder Spieler noch Verantwortliche etwas wissen. Allenfalls eine Ergebniskrise sei die derzeitige Lage. „Unsere Situation ist nicht komfortabel, aber sie macht mir keine Sorgen“, sagt Manager Frank Baumann und Trainer Florian Kohfeldt meint: „Hier hat nicht die bessere, sondern nur die effektivere Mannschaft gewonnen.“ Nun, die DDR hat die Zeichen ihres bevorstehenden Endes bis kurz vor selbigem auch nicht erkannt. Freilich ist Werders Situation bei Weitem nicht derart bedrohlich, und bietet das Team auch durchaus ansehnlichen Fußball.

Doch auch wenn Kohfeldt das anders sah: Besser waren die Bremer in Mönchengladbach nicht. Zwar gab es ein Plus an Flanken (8:6) und Ecken (8:3). Ballbesitz (47:53 Prozent), Passquote (81:85 Prozent), Torschüsse (16:17) sowie gewonnene Zweikämpfe (48:52 Prozent) aber lagen im Minus.

Und es sind besonders die wichtigen Zweikämpfe, welche immer wieder verloren gehen. So hat Werder nach elf Spielen bereits 24 Gegentreffer kassiert, nur Paderborn (26) und Mainz (30) sind größere Schießbuden.

Alarmierend sind zwei Werte: Zum einen kassierte Werder neun Gegentore durch Kopfbälle, das sind schon jetzt dreimal so viele wie in der gesamten vergangenen Saison. Zum anderen resultiert die Hälfte aller Gegentreffer aus Standard-Situationen – Liga-Höchstwert.

„Die Standards sind sehr ärgerlich, da haben wir noch einiges zu tun“, sagt Baumann und Kohfeldt ergänzt: „Sie kosten uns Punkte.“ Punkte, welche die Offensive nicht retten kann. Zwar haben sich die Bremer mit 76 Torchancen hinter den Bayern und Gladbach die drittmeisten aller 18 Teams erspielt, die schwache Verwertung von 23,7 Prozent aber bedeutet in der Statistik nur den 14. Platz.

Ein Missverhältnis von Quantität zu Qualität im Angriff sowie wiederkehrende Fehler in der Defensive sind eine gefährliche Mixtur. Dennoch sind sie bei Werder von ihrem Weg überzeugt – so werden auch die Verletztenliste in der Abwehr sowie anspruchsvolle Auswärtsgegner als Grund für die bislang mageren elf Punkte genannt.

Zumindest Kohfeldt ist nicht ganz blauäugig: „Ich schaue jede Woche auf die Tabelle und weiß, wie schnell sich Dinge entwickeln können.“ Vor 30 Jahren an der Berliner Mauer sogar binnen Stunden. Daher sollte Werder auf jeden Fall und unbedingt Punkte einfahren – sofort, unverzüglich.