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Mythen Und Sagen Auf Borkum Von Knochen im Sand und anderen Geistergeschichten

Nathalie Langer

Borkum - Die Wellen schlagen gegen den Bug des Katamarans. Der Wind trägt einige kreischende Möwen heran und genauso schnell wieder fort. Mit hoher Geschwindigkeit jagt das Schiff durch die Nordsee, Richtung Borkum, der westlichsten Ostfriesischen Insel.

Ich bin auf dem Weg zu der wohl beliebtesten Urlaubsinsel in Norddeutschland. Doch Urlaubsgefühle überkommen mich keine. Mein Interesse gilt dem, was unter dem Sandstrand verborgen ist, von den Wellen verschluckt wurde und worüber die meisten Touristen lieber nichts wissen wollen.

Hier eine Karte mit den Stationen des Nachtrundgangs:

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Für diese Reportage treffe ich mich mit Nils Nörtemann (48) und Berend Baalmann (59), gebürtige Borkumer, die die Geschichte dieser Insel genau unter Lupe genommen haben. Sie bieten Stadtführungen, Wattwanderungen und – deshalb bin ich hier – Nachtrundgänge über die Insel an. Treffpunkt zu der Gruselführung ist der Strand am Riff von Borkum bei Sonnenuntergang. Wie passend, denke ich mir, als Nörtemann und Baalmann in dunkler Kleidung mit altmodischen Laternen die Führung starten. Eine Führung in eine Zeit, in der die Nordsee das Leben der Menschen bestimmt hat.

Berend Baalmann und Nils Nörtemann starten die Führung am Strand. (Bild: Langer)

Berend Baalmann und Nils Nörtemann starten die Führung am Strand. (Bild: Langer)

Riff von Borkum

Im Hintergrund die Seehundbänke: Dort strandeten viele Schiffe. (Bild: Langer)

Im Hintergrund die Seehundbänke: Dort strandeten viele Schiffe. (Bild: Langer)

Vor 1857 gab es keinen Tourismus auf Borkum. Damals gab es gut 400 Einwohner auf der Insel, die hauptsächlich vom Walfang lebten. Denn für die Waljagd ist Borkum in den Geschichtsbüchern bekannt. „Viele Schiffe sind auf den Seehundbänken aufgelaufen“, erzählen die Nachtführer. Sie schätzen, dass es um die 15 bis 20 pro Jahr gewesen sein könnten.

Dodemanns Delle

In dieser Mulde sollen die 350 Leichen ertrunkener französischer Seefahrer liegen. (Bild: Langer)

In dieser Mulde sollen die 350 Leichen ertrunkener französischer Seefahrer liegen. (Bild: Langer)

Bei genau so einem Sturm strandete 1780 das französische Schiff „The Liberty“ an der Borkumer Küste. „Ein dreitägiger Orkan wehte über die Insel. Das machte die Bergung des Schiffes und der Seeleute unmöglich“, so Nörtemann. Nach den drei Tagen lagen am Strand 350 Wasserleichen, „alle in einem recht bescheidenen Zustand“. Die Frage nach dem „Wohin?“ sollte sich schnell erübrigen. Die Ertrunkenen fanden ihre letzte Ruhestätte in der sogenannten Dodemanns Delle am Nordstrand – einer Mulde. Wer sich im Herbst in die Senke begibt, wenn der Morgennebel über dem Grab liegt, wird es gleich einige Grad kühler empfinden, meint Nörtemann verschwörerisch.

Man erzählt sich, dass man, wenn der Wind aus nordwestlicher Richtung kommt und man am Geländer vor der Dodemanns Delle steht, die Schreie der Ertrunkenen hören kann.

Wenn der Wind aus nordwestlicher Richtung kommt, kann man die Schreie der Ertrunkenen hören. (Bild: Langer)

Wenn der Wind aus nordwestlicher Richtung kommt, kann man die Schreie der Ertrunkenen hören. (Bild: Langer)

Drinkeldodenkarkhoff

Wirkt friedlich: Unter dem Spielplatz soll sich ein Seemannsfriedhof befinden. (Bild: Langer)

Wirkt friedlich: Unter dem Spielplatz soll sich ein Seemannsfriedhof befinden. (Bild: Langer)

Die Dodemanns Delle ist nicht die einzige letzte Ruhestätte für Seeleute auf Borkum. Wenige Hundert Schritt entfernt befindet sich der Drinkeldodenkarkhoff an der Geert-Bakker-Straße. Und der hat eine wirklich gruselige Geschichte hinter sich, wie die Geschichtenerzähler wissen. Denn direkt über dem Friedhof wurde 1925 ein Kinderspielplatz erbaut. Bei den Bauarbeiten sollen Schädel und Knochen ans Tageslicht gekommen sein, so erzählt man sich zumindest. Inwieweit das wahr ist, ist fraglich. Gegen eine Zahlung von 25.000 Mark wurde der Name „Drinkeldodenkarkhof“ wenig später aus dem Grundbuch / Katasterplan gestrichen.

Die Gedenkplatte befindet sich außerhalb des Friedhofs. (Bild: Langer).

Die Gedenkplatte befindet sich außerhalb des Friedhofs. (Bild: Langer).

Also wurde das Metallkreuz des Friedhofes in den 50er Jahren einige Meter weiter nach hinten außerhalb des Spielplatzes versetzt und vergammelte. Außerdem wurde die Regelung aufgestellt, dass es keinen Sandkasten geben durfte. „Aus Gründen“, wie Nörtemann mit einem Augenzwinkern sagt. Bis in die 1870er Jahre (1871 laut Nils Nörtemann) wurde der Friedhof für ertrunkene Seeleute benutzt, mehr als 160 dürften dort begraben liegen.“ Seit 2009 gibt es eine Gedenkplatte – natürlich außerhalb des Friedhofs, die an die ertrunkenen Seemänner erinnern soll.

Spukt es im alten Hotel am Strand?

Das Hotel der Kette Upstalsboom. (Bild:Langer)

Das Hotel der Kette Upstalsboom. (Bild:Langer)

Man erzählt sich, dass der Geist der früheren Herzogin Sophie von Oldenburg hier sein Unwesen treiben soll. „Gäste sollen berichtet haben, dass Betten und Schränke verschoben wurden“, sagt Nörtemann. In den 80er Jahren baute Werner Janssen das Hotel, das damals noch Strandvilla Prinzessin Eitel Friedrich hieß, um und gründete die Kette Upstalsboom. Janssen kam später bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Seine Leiche wurde nie gefunden.

Villa Wilhelmine

An diesem Standort befand sich früher das Borkumer Armenhaus. (Bild: Langer)

An diesem Standort befand sich früher das Borkumer Armenhaus. (Bild: Langer)

Die Villa Wilhelmine an der alten Schulstraße hat ebenfalls eine bemerkenswerte Geschichte. Im 19. Jahrhundert, wie man sich erzählt, lebten im Haus im Wiesenweg 1 Tjark Ewerts Hahn mit seiner Frau und seiner Tochter Gertje Tjarks Hahn. Ehemann Tjarks starb allerdings den Seemannstod und ließ Frau und Kind zurück. Seine Ehefrau starb kurz darauf an gebrochenem Herzen, berichtet Nörtemann.

Die Tochter wuchs ohne Eltern im Borkumer Armenhaus auf und verliebte sich später unsterblich in einen napoleonischen Soldaten. „Der schwängerte sie und machte sich dann davon.“ Die Tochter verfluchte das davonfahrende Schiff und verlor den Verstand. „Sie drehte durch, riss sich die Kleider vom Leid und musste in dem alten Bauernhaus angekettet werden. Bis zu ihrem Tod 1868.“

Haus an der Boeddinghausstraße

Das Haus an der Boeddinghausstraße. Eine Aufnahme aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. (Bild: Nörtemann)

Das Haus an der Boeddinghausstraße. Eine Aufnahme aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. (Bild: Nörtemann)

Eine andere Sage erzählt man sich über das Haus an der Boeddinghausstraße. Wie die Urgroßtante von Nils Nörtemann felsenfest behauptet, habe sich Folgendes so zugetragen. „Es muss in einer Nacht um 1940 herum passiert sein“, berichtet er. Seine Tante lebte mit ihrem Mann in dem besagten Haus, als es an der Tür klopfte. Ein Sturm – wie nicht anders zu erwarten – fegte in der Nacht über Borkum. Ein Lieutenant stand an der Tür. „Williams“ stand auf seinem Namensschild. Er wirkte gehetzt, bis auf die Knochen durchnässt. „Sein Schiff sei gesunken und seine Kameraden bräuchten dringend Hilfe am Strand“, erzählte später die Tante das Gespräch mit dem Soldaten. Er habe außerdem prophezeit, dass der Insel Borkum im Zweiten Weltkrieg nichts passieren würde.

Nachtführung zur Geisterstunde

Die Geschichtenerzähler Nils Nörtemann und Berend Baalmann geben mehrmals die Woche verschiedene Führungen auf der Insel Borkum.

Wer Interesse an einem Rundgang über die Insel Borkum hat kann sich online informieren und anmelden.

Sie rief ihren Mann und wollten sofort den gestrandeten Soldaten zur Hilfe eilen. Als sie jedoch wieder an die Eingangstür traten, wo bis vor wenigen Sekunden noch der Soldat „Williams“ gestanden hatte, war dieser verschwunden. „Meine Tante und ihr Mann liefen dennoch zum Strand und fanden tatsächlich einige Soldaten im Sand liegen“, sagt Nörtemann. Was er dann erzählt – seine Tante hat hoch und heilig geschworen, dass es nicht gelogen ist – könnte aus einer Folge der Mysterie-Serie „X-Faktor“ stammen. Als das Ehepaar einen Soldaten auf den Rücken drehten, stand auf seinem Namensschild „LT Williams“.

Wer noch nicht genug hat: Interessanterweise gab es während des zweiten Weltkriegs maximal vier bis fünf Tote auf Borkum, die durch den Krieg starben.

Schatz des Störtebeker

Wo befindet sich der Schatz des Störtebeker? ( Foto: Archiv)

Wo befindet sich der Schatz des Störtebeker? ( Foto: Archiv)

Der bekannteste Seeräuber der Geschichte soll auch auf Borkum sein Unwesen getrieben und gar einen Schatz in den Dünen vergraben haben. Nur unter welcher? „Aus den Aufzeichnungen geht das nicht direkt hervor. Es könnten vom Wortlaut her die Wolde- oder die Olde-Dünen sein“, vermutet Nörtemann. Das Problem: Die Wolde-Dünen sind seit dem 14.-15. Jahrhundert versunken, abgebrochen oder haben sich verlagert. „Der Schatz befände sich nie mehr dort, wo er vergraben wurde.“ Die Olde-Dünen hingegen befinden im Ostland an der Nordseite, aber auch dort wurde bereits vielfach nach dem Schatz gesucht – ohne Erfolg.

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