Mit dem Wort „Digitalisierung“ geht oft der Konjunktiv einher. „Hätte“, „könnte“, „sollte“ tauchen als Verbform auf. Aktuell ist die Digitalisierung wieder ein großes Thema – dank 5G. Das Kürzel steht für die fünfte Mobilfunkgeneration, also eine Weiterentwicklung des Standards 4G. Auf einigen Smartphones erscheint auch LTE statt 4G. 5G ist 100 Mal schneller. Diese Technik soll unsere Wirtschaft zukunftsfähig machen. Autonomes Fahren benötigt 5G. Alles richtig und wichtig. So mancher Landwirt wäre indes schon zufrieden, seinen Förderantrag vernünftig online stellen zu können.

Zurück zu 5G. Ja, solche Zahlen freuen die deutsche Politik. Der aktuell beste Datenaustausch 100 Mal schneller, wow. Immerhin taucht das Wort „digital“ mehr als 70 Mal im Koalitionsvertrag der Großen Koalition auf. Zumindest wird dort der Wille zur Digitalisierung formuliert. Sollten Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, das Koalitionspapier einmal in „digitaler“ Form aus dem Internet herunterladen wollen, grämen Sie sich nicht, wenn es etwas dauert. Das liegt dann vermutlich daran, dass Sie in einer Gegend leben, in der Sie digital praktisch offline, also schwer bis überhaupt nicht erreichbar sind.

Wir sprechen beim Mobilfunk von 5G und müssen erkennen, dass selbst 3G längst noch nicht Standard ist. Zwar hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die „Jagd auf die weißen Flecken im Mobilfunknetz“ für eröffnet erklärt, das war aber im April 2018, also erst vor einem Jahr. Der „Tagesspiegel“ hat jüngst Zahlen veröffentlicht, die die „Funkloch-App“ der Bundesnetzagentur geliefert hat. Von Oktober 2018 bis Januar 2019 wurde dort fast 600.000 Mal „kein Netz“ gemeldet. Es gibt Gegenden im Nordwesten, etwa im Ammerland, da möchte ich mit keinem Reifenschaden liegenbleiben.

Digitale Entscheidungen gehen in Deutschland einen sehr langen analogen Weg. Das liegt daran, dass zwar viele Menschen mobil telefonieren möchten, einen Funkmast aber nicht in der Nachbarschaft dulden, also in der eigenen Nachbarschaft wohlgemerkt.

Selbst wenn der Bund für die Schulen in einem Digitalpakt fünf Milliarden Euro für Laptops oder Tablets bereitstellt, braucht es in Deutschland einen Vermittlungsausschuss und am Ende eine Verfassungsänderung, damit das Geld an die Länder und Kommunen fließen kann. Da dank deutscher Gründlichkeit nicht einfach Mittel verteilt werden können, braucht es Richtlinien, die jedes Bundesland erst noch formulieren muss. Vor dem Jahr 2020 wird deshalb wohl kein Cent an die Schulen fließen. So geht die digitale Revolution an uns vorbei. Und das können wir uns als Wirtschaftsnation nicht leisten.

Dennoch diskutieren wir nicht leidenschaftlich, wie wir die Digitalisierung meistern können. Wir suchen lieber Wege, sie zu verhindern. Das stuft uns in einigen Statistiken auf den Status eines Schwellenlandes zurück. Der Anteil der Glasfaseranschlüsse an allen stationären Breitbandanschlüssen liegt laut einer Statistik aus Juni 2018 in Deutschland bei 2,6 Prozent. In Frankreich liegt er bei 13,7, in Ungarn bei 22,1, in Estland bei 37,4 Prozent. Spitzenreiter sind Japan und Südkorea mit mehr als 70 Prozent.

Ich gestehe, ich selbst habe Angst, was die Digitalisierung mit meinem Beruf macht. Ehrlich gesagt, erlebe ich es bereits tagtäglich. Die Digitalisierung hat nicht nur meine Arbeitswelt radikal verändert. Viele Universitäten schaffen Lehrstühle für Künstliche Intelligenz. Kaum ein Unternehmen im Norden ohne Digitalstrategie. Kluge Unternehmer fördern zudem längst die Jobs von morgen. Dafür benötigen sie eine digitale Infrastruktur, die wettbewerbsfähig ist.

Die Politik muss sie dabei unterstützen, sie muss vor allem jedem Menschen, der es möchte, einen digitalen Zugang verschaffen. Die Politik muss aber auch all jenen durch eine kluge Sozialpolitik die Angst nehmen, deren Jobs durch die Digitalisierung nicht mehr benötigt werden. Das werden am Ende so viele Menschen sein, dass wir völlig neu denken und planen müssen. Das bedingungslose Grundeinkommen, teilfinanziert durch eine Robotersteuer beispielsweise, wird nicht mehr nur von Philosophen diskutiert.

Eines steht fest: Der Konjunktiv hilft uns bei der Digitalisierung nicht weiter. Wir müssen uns dem Ist stellen. Und zwar heute, nicht morgen.