Hannover - Wenn Sandra Mehmecke über das Thema Pflege spricht, ist sie kaum zu bremsen. Und das ist auch kein Wunder, schließlich ist die 35-Jährige eine echte Expertin darin, pflegebedürftigen Menschen zu helfen. Aufgewachsen in der Kleinstadt Bad Sachsa am Südrand des Harzes im Kreis Göttingen zieht es die damals 17-Jährige nach dem Realschulabschluss „in die große weite Welt nach Hannover“, wie die blonde Frohnatur berichtet. In der Landeshauptstadt legt Sandra Mehmecke den Grundstein für ihre Pflege-Karriere. Sie macht eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), arbeitet hier bis heute auf einer neurologischen Station und kümmert sich um chronisch kranke Menschen. Später absolviert sie an der Fachhochschule Hannover ein Bachelorstudium Pflege sowie an der Hochschule Hannover das Masterstudium „Management für Pflege- und Gesundheitsberufe“. Neun Jahre dauert ihre Ausbildung zum Pflege-Profi insgesamt – beste Voraussetzungen also, um als Sprachrohr für die rund 80 000 Pflegefachkräfte in Niedersachsen zu agieren.

Seit voriger Woche steht Sandra Mehmecke als Präsidentin an der Spitze der neuen Pflegekammer Niedersachsen. Und die Powerfrau hat klare Ziele, will der Politik und allen anderen Verantwortlichen, die mit der Pflege im Land befasst sind, Druck machen. „Wir fordern eine echte Beteiligung. Wir sind nicht nur eine starke Stimme, sondern wir wollen ein Stimmrecht etwa im Landespflegeausschuss oder dem Gremium, das den Landeskrankenhausplan aufstellt“, sagt Sandra Mehmecke klar und deutlich. Die Pflege-Fachpersonen gehörten an den Tisch, es könne nicht angehen, dass die entscheidenden Weichenstellungen in der Pflege von berufsfremden Akteuren vorgenommen würden. „Dieses Recht werden wir einfordern“, kündigt Mehmecke an. Ein zweiter Punkt, der die freundliche Pflegekammer-Präsidentin beinahe wütend macht, ist die fehlende Anerkennung der Fachexpertise von hochqualifizierten Pflegerinnen und Pflegern. Was genau damit gemeint ist? Ein Beispiel: Die Fachkräfte haben tagtäglich mit den Pflegebedürftigen zu tun, wissen, welche Materialien etwa bei Inkontinenz oder in der Wundversorgung jeweils am besten geeignet sind. „Und dennoch brauchen wir immer eine Unterschrift vom Arzt, ohne die geht nichts“, beklagt Sandra Mehmecke und fügt hinzu: „Das Einholen der Unterschrift wird nicht einmal vergütet.“

Langweilig dürfte Sandra Mehmecke, die auch als Lehrbeauftragte an der Hochschule Hannover sowie als freie Dozentin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Pflege-Projekten tätig ist, nicht werden. Als Pflegekammer-Präsidentin will sie nicht nur herausstellen, wie wichtig gut ausgebildetes Pflegepersonal ist und eine entsprechende Anerkennung der Professionalität sicherstellen, sondern sie will auch Fachpersonal zurückgewinnen, das dem Beruf nach der Ausbildung den Rücken gekehrt hat, Anreize schaffen, damit Teilzeitkräfte ihre Arbeitszeit erhöhen und schließlich auch diejenigen im Pflegeberuf halten, die sich für diese „tolle und erfüllende Arbeit“ entschieden haben.

Nur wie soll das gelingen, wenn Niedersachsen im Ländervergleich zu den Schlusslichtern bei der Bezahlung gehört? Sandra Mehmecke kennt das System gut genug, um nicht einfach nach höheren Löhnen zu rufen, denn sie weiß, dass eine bessere Bezahlung an höheren Pflegesätzen hängt, die wiederum höhere Kosten für die Pflegebedürftigen zur Folge hätten. „Hier muss es uns gemeinsam mit allen Akteuren gelingen, einen guten Weg zu finden, der die Qualität in der Pflege sicherstellt und gute Löhne für die Beschäftigten beinhaltet – gleichzeitig muss die Pflege in Niedersachsen bezahlbar bleiben“, skizziert die Kammer-Chefin die schwierige Aufgabe, gibt sich aber zuversichtlich: „Das muss und wird uns gelingen.“

Sandra Mehmecke braucht für ihr neues Ehrenamt einen langen Atem. Neue Kraft tankt die 35-Jährige, die seit 15 Jahren in einer festen Beziehung lebt, wenn sie Freunde trifft. Da lässt die ansonsten sehr aufgeräumt und durchstrukturiert wirkende Frau den Dingen auch gern einfach ihren Lauf. „In meiner Freizeit bin ich gern komplett unorganisiert und einfach spontan.“