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Suzanne von Borsody liest Kahlos Briefe berührenWilhelmshavener

Wolfgang A. Niemann

Wilhelmshaven - Seit vielen Jahren reist Suzanne von Borsody mit ihrer Hommage an die mexikanische Maler-Ikone Frida Kahlo (1907-1954) durch die Lande und erntete damit stets Begeisterung. Warum das so ist, erlebte an diesem Sonntag das Publikum im ausverkauften Wilhelmshavener „Provisorium 29“. Eingestimmt und begleitet wurde der Abend mit mal melancholischen, mal gefühlvollen lateinamerikanischen Klängen des Trio Azul.

So mexikanisch bunt gekleidet, wie es auch die Malerin bevorzugte, eröffnete Suzanne von Borsody die Lesung mit einem Gedicht der noch ganz jungen Kahlo. Die Probleme ihres Lebens seit dem vierten Lebensjahr seien sozialer Natur, stellt sie darin altklug fest, obwohl ihre körperlichen Leiden mit einer Kinderlähmung und einem beeinträchtigtem Bein da erst einen winzigen Vorgeschmack späteren Leids erhalten haben.

Unbändige Emotionen

Borsody macht mit ihrer mal sanften, mal eindringlichen Stimme deutlich, warum sie zu den großen deutschsprachigen Charakterdarstellerinnen zählt. Sie versteht es, aus Originalbriefen die unbändigen Emotionen der oft von überbordenden Gefühlen bewegten Malerin erkennen zu lassen.

Noch ist es die erste große Liebe, von der die Studentin schwärmt, doch dann kommt der unglückselige 17. September 1925 und der fatale Verkehrsunfall, bei dem sie von einer Haltestange im Beckenbereich durchbohrt wird.

Ihre grässlichen Verletzungen zwingen sie in monatelangem Martyrium aufs Krankenbett, in Gipskorsetts und Einsamkeit leidet sie. „Ich bin ein Pechvogel“, klagt sie, ohne zu übertreiben.


Es ist die Langeweile, die sie erstmals ans Malen denken lässt. Sie mal mit explosiver Kreativität und surrealer Intensität, von der der französische Dichter sagen wird: „Die Kunst der Kahlo ist wie eine bunte Schleife um eine Bombe.“

Die Bekenntnisse werden in den Briefen immer intimer und offenherziger, denn Kahlo begegnet Diego Rivera, der Liebe ihres Lebens. 20 Jahre älter ist er, ein bereits weltberühmter Maler riesiger Fresken, aber auch ein atheistischer Frauenheld und Kommunist.

Hingerissenes Publikum

Ihre Briefe schwelgen nun oft ekstatisch, sind aber auch mit spitzem Humor durchsetzt. Doch sie leidet unter seinen Affären, obwohl sie irgendwann in sarkastischem Trotz konstatiert, dass all die anderen Weiber ja nur Zeitvertreib seien. Im Übrigen: „Pessimistisch – wie schreibt man das?“

Eine Haltung, die nach immer neuen Operationen, Fehlgeburten und seelischen Verletzungen zerbröselt. Mit dem Herzen auf der Zunge berichtet sie von der großen Bitternis, als Diego ausgerechnet mit ihrer Schwester poussiert. Nach der Scheidung kommt dennoch bald die Wiederheirat zu einer „Ehe ohne Sex“.

Zugleich kommt der erste große Höhenflug als Künstlerin mit einer Ausstellung in New York. Seelisch angeschlagen und körperlich durch immer neue Flickschusterei noch weiter ruiniert, hält sie vieles nur noch mit viel Cognac aus. Mit schwerer Zunge interpretiert Suzanne von Borsody diese tragische Phase einer Künstlerin, die sich nach einer Amputation eines Unterschenkels schließlich 1953 sogar mit dem Krankenbett zu einer triumphalen Ausstellung ihrer bis heute umschwärmten Werke bringen lässt. Unbändig ist ihr Schaffensdrang, denn „Ich bin nicht krank, bin nur zerbrochen.“

Am 13. Juli 1954 mit eben 47 Jahren zerbricht ihr geschundener Körper endgültig. Nach einem abschließenden „Sabor a mi“ des Trio Azul spendet das hingerissene Publikum Riesenbeifall.

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