Hameln - Die Ratten sind los. Sie weisen in Bronze den Weg zu den schönsten Sehenswürdigkeiten der Altstadt, dienen im knallroten Street-Art-Format als Werbeträger für Geschäfte oder versüßen die Auslage beim Bäcker. Das freut alle, die für die berühmte alte Sage nach Hameln gekommen sind. Das ärgert Michael Boyer. Er ist der einzige hauptamtliche Rattenfänger von Hameln und von der Tourismus Zentrale auserkoren, die wahre Geschichte zu erzählen. Und die hat mit Ratten nun mal gar nichts zu tun. „Es geht nicht um die Ratten, es geht um die Kinder“, betont Boyer bei seinem einstündigen Rundgang.

Doch die Region um Hameln hat noch mehr zu bieten als den Rattenfänger. Da ist zum Beispiel Corvey. Die Benediktinerabtei am Weserbogen war im Frühmittelalter ein bedeutendes geistig-politisches Zentrum mit einer einzigartigen Klosterbibliothek. Heute nehmen Besucher in bunten Trikots und kurzen Radsporthosen ehrfurchtsvoll den Helm ab, wenn sie das Westwerk der ehemaligen Reichsabtei betreten. Oder machen ein Selfie mit der Büste von August Hoffmann von Fallersleben, Corveys prominentestem Bibliothekar.

Wer Zeit und Muße mitbringt, kann in den ehemaligen Stallungen der barocken Schlossanlage am Kloster übernachten und am Folgetag den Drahtesel für ein paar Stunden gegen ein Kanu eintauschen. „Das hier ist ein magischer Ort“, sagt Kalle Krome, der auf Schloss Corvey ein Kanuzentrum betreibt. Paddeln ist für ihn ein wenig wie Pilgern. Und nach den ersten Weserschleifen wird klar, was er meint: Die Kraft der Strömung bringt einen auch ohne große Anstrengungen voran. Und in der Früh ist man mit Reihern und Enten weitgehend allein unterwegs – und kann die Gedanken vorbeiziehen lassen.

Für Krome ist die Weser das ideale Paddelrevier, 135 Kilometer freier Lauf mit einer kanufreundlichen Infrastruktur. Nur ein paar Ausflugsdampfer und Fähren kreuzen den Weg, etwa die Gierseilfähre in Polle, die allein mit der Kraft des Wassers unterhalb der alten Burgruine aus dem 13. Jahrhundert bewegt wird – eine märchenhafte Kulisse und im Sommer Freilichtbühne für Aschenputtelfans. Überhaupt lohnt es sich, den Radweg, der überwiegend auf der Ostseite der Weser entlang führt, mal zu verlassen. Etwa für das Weserrenaissance-Schloss Hämelschenburg zwischen Hameln und Bad Pyrmont, das sich mit seinen Erkern, Türmen und Zinnen prachtvoll in die Hügellandschaft einfügt. Es ist seit einem halben Jahrtausend im Besitz der Familie von Klencke, die das Rittergut selbst bewohnt und ein Teil der Räumlichkeiten für Führungen freigegeben hat.

Ratten: Jeden Sonntag, 12 Uhr, von Mitte Mai bis Mitte September beginnt in der Hameler Altstadt auf der Hochzeitshaus-Terrasse ein Rattenfänger-Freilichtspiel. Wer es verpasst, sollte sich mittwochs um 16.30 Uhr das Musical Rats anschauen. Das ist in beiden Fällen kostenfrei, Spenden sind willkommen. Nach dem Musical gibt es eine Stadtführung mit dem Rattenkönig (17.30 Uhr, ab Bühne, 10 Euro). Stadtführung mit dem Rattenfänger, Donnerstag, Freitag und Samstag, 17.30 Uhr, von April bis Oktober, ab Tourist-Info, Deisterallee 1. Oder Donnerstagnacht, 21 Uhr die dunkle Variante ab Rattenfängerhaus, mit Anmeldung.

Renaissance: Sieben Schlösser rund um Hameln haben sich zusammengeschlossen. Wer nur zwei von ihnen besucht, erhält schon eine Ermäßigung. Am weitesten entfernt von Hameln (55 Kilometer) liegt die Porzellanmanufaktur Fürstenberg, gefolgt von Corvey, dessen Kloster 1200 Jahre alt ist und damit weit älter als die Schlösser Bevern, Hämelschenburg, Pyrmont und Bückeburg im Norden von Hameln sowie Schloss Marienburg im Osten.

Radfahren: Weser-Radweg von Hann. Münden bis zur Nordsee, gut 500 Kilometer, wenig Steigungen, meist asphaltiert www.weserradweg-info.de Emmer-Radweg von Bad Pyrmont bis Emmerthal www.badpyrmont.de E-Bike-Verleih Tourist-Info Hameln, 22 Euro pro Tag, t   05151/95 78 23