Berlin/Haltern - Mit provokanten Aussagen am Jahrestag der Germanwings-Katastrophe hat die Familie des Todespiloten Andreas Lubitz neue Wunden gerissen. Hinterbliebene der Opfer reagierten verärgert, die Fachwelt wies die Vorwürfe gegen die offiziellen Ermittlungen zurück. Für die Behörden steht weiter fest: Der Co-Pilot hat die Germanwings-Maschine mit 150 Insassen vor zwei Jahren vorsätzlich gegen einen Felsen gesteuert.

Günter Lubitz, Vater des Co-Piloten, erklärte am Freitag in Berlin, alle Ermittlungsbehörden hätten sich „auf einen an Depressionen erkrankten Menschen konzentriert und andere Aspekte vernachlässigt“. Es sei nicht erwiesen, dass sein Sohn den Jet absichtlich ins Felsmassiv gelenkt habe.

Diese Aussagen ausgerechnet am zweiten Jahrestag der Katastrophe wurden von Opfer-Vertretern als „Affront“ und „geschmacklos“ bezeichnet. Die kritisierten Ermittler im In- und Ausland wiesen die Vorwürfe zurück – ebenso die Pilotenvereinigung Cockpit und die Bundesregierung. „Es gibt für uns keinen Anlass, an der Art und den Ergebnissen der Unfalluntersuchungsbehörde zu zweifeln“, teilte das Verkehrsministerium mit.

Flugunfallexperte Tim van Beveren hat sich im Auftrag der Familie Lubitz mit dem Unglück am 24. März 2015 in den französischen Alpen befasst. Er zählte am Freitag eine Reihe von Details auf, mit denen er Vorgehen und Rückschlüsse der offiziellen Ermittler infrage zog: „Man kann nicht einfach so sagen: ,Andreas Lubitz ist schuldig.‘“ Van Beveren führte aus, man wisse nicht, was sich vor zwei Jahren abgespielt hat. „Wir haben alle Vermutungen. Aber Vermutungen sind keine Beweise.“

„Wir müssen damit leben, dass er in den Medien als depressiver Massenmörder dargestellt wurde und noch wird“, sagte Günter Lubitz. Doch: „Unser Sohn war zum Zeitpunkt des Absturzes nicht depressiv.“ Dies hatten die Ermittler in ihrem Abschlussbericht aber auch nicht behauptet. Allerdings waren sie von psychischen Problemen des 27-Jährigen ausgegangen. Dem Abschlussbericht zufolge hatte er den Kapitän vor dem Aufschlag der Maschine aus dem Cockpit ausgesperrt.

Der Schulleiter Ulrich Wessel aus dem westfälischen Haltern, wo eine Gedenkfeier für die im abgestürzten Jet gestorbenen Schüler stattfand, nannte die Pressekonferenz eine „Provokation, ein Affront gegenüber den Eltern“. Spanische Hinterbliebene nannten sie eine Respektlosigkeit.

In der Nähe des Absturzortes enthüllte am Freitag Lufthansa-Chef Carsten Spohr eine Skulptur zum Gedenken an die Opfer. Mehr als 500 Angehörige aus aller Welt nahmen an der Gedenkfeier im französischen Le Vernet teil.