Ammerland - Polizisten wollen einer hilflosen Person, die auf dem Bürgersteig liegt, helfen. Während sich der Beamte über den Mann beugt, bekommt er ohne Vorwarnung einen Faustschlag ins Gesicht. In einem anderen Fall wurde die Polizei gerufen, um bei einer Ruhestörung einzugreifen. Der junge Mann stand unter Alkoholeinfluss, reagierte aggressiv und schlug zu.
In solche Situationen geraten immer mehr Sicherheitskräfte bei ihren Einsätzen. Wie berichtet, war die Zahl der Übergriffe niedersachsenweit stark gestiegen, und auch im Ammerland werden zunehmend Fälle wie diese gemeldet. Wegen Gewalt gegen Polizeibeamte wurden 2014 im Landkreis Ammerland zwölf Verfahren eingeleitet, ein Jahr später waren es bereits 15 und 2016 sogar 29 Fälle von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
„Das ist eine deutliche Steigerung. Das Aggressionspotenzial ist recht hoch“, betont Ludger Elsen, Leiter des Polizeikommissariats Westerstede. Bei solchen Vorfällen seien häufig Alkohol und Drogen im Spiel. „Da Angriffe manchmal überraschend und ohne Ankündigung kommen, muss man extrem vorsichtig reagieren“, betont Elsen. Bei Aus- und Fortbildungsmaßnahmen würden die Polizisten daher nicht nur in Deeskalation, sondern auch in Selbstverteidigung geschult. Im Bereich der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland seien auch die ersten Körperkameras im Einsatz.
Ins Gesicht geschlagen
Eine Tendenz zu aggressiverem Verhalten gegenüber den Rettungskräften hat ebenfalls Michael Peter, Geschäftsführer des Rettungsdienstes Ammerland, beobachtet, auch wenn sich die Zahlen im Ammerland noch im Rahmen halten. „Etwa eine Handvoll Delikte im Jahr werden zur Anzeige gebracht“, schätzt er. „Wir hatten einen Fall, dass einem Sanitäter ins Gesicht geschlagen worden ist oder dass ein betrunkener Patient im Rettungswagen randaliert hat, ein medizinisches Gerät zerstört und einer Mitarbeiterin auf die Hand getreten hat“, nennt Peter Beispiele aus dem Alltag. Mitarbeiter würden angespuckt und vielfach beschimpft. Vorfälle wie diese würden aber oft nicht gemeldet. Bei gravierenden Fällen sei klar: „Jeder Angriff wird angezeigt.“
Rund 21 000 Einsatzfahrten hat der Rettungsdienst im vorigen Jahr absolviert und dabei rund 900 000 Kilometer zurückgelegt. Die meisten dieser Fahrten verliefen ohne besondere Vorkommnisse. Daher gelte: „Wir gehen mit gesundem Respekt in Einsätze rein, aber ohne Angst. Über stichsichere Westen wird bei uns noch nicht gesprochen.“ Wie man sich in schwierigen Situationen verhalten sollte, sei auch immer wieder Thema bei Schulungen.
Von einer Zunahme der Übergriffe spricht Matthias Benken, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Ammerland. „Vielfach fehlt es an Respekt.“
Das kann DRK-Bereitschaftsleiter Jared Becker bestätigen. „Die Hemmschwelle, sich aggressiv gegenüber den Einsatzkräften zu benehmen, ist gesunken. Es kommt beispielsweise häufiger vor, dass jemand beschimpft wird“, erklärt er. Die Helfer würden dann versuchen, beschwichtigende Worte zu finden und auf ihre eigene Körpersprache zu achten, damit die Situation nicht eskaliere.
Schaulustige
Während THW-Ortsbeauftragter Heiner Mansholt von keinen Problemen im Ammerland berichtet, hat die Feuerwehr bei ihren Einsätzen vielfach mit Schaulustigen zu kämpfen, wie Kreisbrandmeister Andree Hoffbuhr weiß. „Sie stehen im Wege und rücken immer näher. In den meisten Fällen hilft es, die Leute zu ermahnen.“
Zunehmend gebe es aber Diskussionen mit Autofahrern, die nicht einsähen, dass sie die nach einem Verkehrsunfall gesperrte Straße nicht passieren dürften. „Manche werden auch frech“, so Hoffbuhr. Daher werde normalerweise eine erfahrene Feuerwehrkraft bei Straßensperrungen eingesetzt.
Im Großen und Ganzen aber, da sind sich die Helfer einig, ist die Situation im Landkreis Ammerland noch moderat. Brennpunkte liegen eher in Ballungsgebieten.